Martinigänse und wie mehr Transparenz ihren Weg erhellt

Letzten Monat haben wir über Foie Gras berichtet. Wer jetzt mit dem Gedanken abwinkt, Stopfleber esse sie oder er doch sowieso nicht, sei gefragt: „Und was ist mit einer saftigen Martinigans im November?“.  Wir erklären, warum auch hier oft Stopfgänse verkauft werden, wie Transparenz viel Tierleid verhindern könnte und welche tierfreundlicheren Alternativen schon heuer in Österreich zu finden sind.

Gerettete Martinigänse

Lebendrupf und Stopfmast für den Festtagsbraten

In Österreich ist das Stopfen von Gänsen verboten. Das hält Gastronomie und Handel jedoch nicht davon ab, gestopfte Gänse zu importieren, denn Stopfgänse werden nicht nur für die Produktion von Foie Gras gehalten: Für die traditionelle Martini-Gans wünschen sich viele einen preisgünstigen Gänsebraten. Daher werden in Gastronomie und Handel auch Gänse angeboten, die aus der Fettlebererzeugung stammen. Fast dreiviertel aller in Österreich verzehrten Gänse werden aktuell aus Ländern importiert, in denen tierquälerische Praktiken nach wie vor erlaubt sind [1]. Hauptproduzent von Stopfgänsen ist Frankreich (lies hier wie Frankreich EU-Recht umgeht [link]), aber auch Spanien, Belgien, Bulgarien, die USA, Kanada und China sind für ihr Billigfleisch aus der Stopfmast bekannt.

Viele Gänse dienen außerdem noch vor ihrer Schlachtung der Feder- und Daunengewinnung. Ihnen werden händisch oder maschinell Federn und Daunen an Hals, Rücken, Bauch und Brust entfernt. Dieser Lebendrupf ist mit starken Schmerzen und oft auch Verletzungen der Vögel verbunden [2]. Außer-europäische Länder, wie China, haben oft kein Tierschutzgesetz, also kann hier kaum reguliert werden, was mit den Tieren vor ihrer Schlachtung geschieht [3]. Doch leider wird die Praxis auch innerhalb der EU fortgeführt, obwohl hier der Lebendrupf eigentlich bereits 1999 verboten wurde [4]. Schuld dafür sind rechtliche Schlupflöcher.

Da Gänse während der jährlichen Mauser ihr Federkleid auf natürliche Weise wechseln, wurde der Begriff „Lebendraufen“ eingeführt. Für den industriellen Sektor wurde damit grünes Licht gegeben: Federn und Daunen dürfen demnach weiterhin während der Mauser gewonnen werden, wenn die Federkiele nicht mehr fest in der Haut verankert sind. Leider ist der Zeitpunkt der Mauser von Vogel zu Vogel leicht variabel, wodurch es durch die festen Zeitpläne der Betriebe überwiegend zum Lebendrupf, statt zum Lebendraufen kommt [5]. Nach wie vor erschüttern uns Berichte von tierquälerischen Praktiken und zahnlosen Kontrollen aus Ungarn und Polen [4]. Außerdem liefern wiederholt gerupfte Vögel weichere Daunen, weshalb die Tiere in ihren kurzen drei Monaten Lebenszeit wieder und wieder gerupft werden [5]. Hier von einer natürlichen Mauser zu sprechen, gleicht einer dreisten Lüge.

Österreichs Bevölkerung will keine lebendig gerupften oder gestopften Gänse

Eine Herkunfts- und Haltungskennzeichnung ist also unerlässlich, um besser über die Lebensbedingungen des eigenen Festtagsvogels informiert zu sein. Dass dies auch ein großes Anliegen der österreichischen Bevölkerung ist, zeigt eine Umfrage, die die Vier Pfoten 2021 beim Marktforschungsinstitut Market in Auftrag gegeben haben. 500 ÖsterreicherInnen wurden zu Martinigänsen befragt und 9 von 10 Befragten sprachen sich für eine verpflichtende Kennzeichnung nach Herkunft und Haltung sowohl im Handel wie auch in der Gastronomie aus. Stopfmast oder Lebendrupf wurden dabei mit 83 % stark abgelehnt. Außerdem sollen laut den Befragten auch kein Fleisch von gestopften oder lebendig gerupften Gänsen importiert werden dürfen [6].

Der Wunsch nach Gänsen aus regionaler tierfreundlicher Haltung besteht also, aber woran scheitert das aktuelle System dann? Der Selbstversorgungsgrad mit Gänsen und Enten liegt in Österreich aktuell bei nur 28 %, der Rest wird aus dem Ausland zugekauft [7]. Die meisten importierten Gänse stammen dabei aus Ungarn [8]. Oft wird behauptet, der geringe Selbstversorgungsgrad ließe keine andere Möglichkeit zu, als auf Importe zu setzen. Doch Schuld für den geringen Anteil heimischer Gänse-LandwirtInnen sind vor allem die billigeren Preise, die ausländische Massentierhaltungs-Betriebe bieten können. Regionale Betriebe, die zumindest nach hiesigen Tierwohlstandards, oder sogar darüber hinaus produzieren, werden vom Markt verdrängt und finden kaum Abnehmer in der konventionellen Gastronomie und dem herkömmlichen Lebensmittelhandel. Ein struktureller Wandel wäre hier von Nöten, um der regionalen Landwirtschaft mehr finanzielle Sicherheit bieten zu können und damit die Abhängigkeit von ausländischen Importen zu verringern [1].

Licht im Dunkeln: Weidegänse in Österreich boomen

Doch obwohl aktuell noch 72 % aller Gänse importiert werden müssen und damit noch nicht einmal ein Drittel des österreichischen Bedarfs durch Eigenproduktion gedeckt wird, bergen diese Zahlen auch einen Hoffnungsschimmer [8]. Noch in den 2000ern, war noch nicht einmal jede zehnte hier verzehrte Gans auf österreichischem Boden gemästet worden. Also hat sich Österreichs Selbstversorgungsrate über die letzten zwei Jahrzehnte immerhin um über 20 % gesteigert. Hauptverantwortlich für dieses überraschende Wachstum ist das 1992 gegründete Projekt „Mühlviertler Weidegans“, das zum Vorbild für zahlreiche Nachfolgeprojekte wurde. Weidegänse leben dabei 26, statt durchschnittliche 12 Wochen und können, sobald ihr Federkleid weit genug entwickelt ist, auf Grünflächen grasen [9].

Hinzu kommt eine günstige Kombination aus mehreren Faktoren: 2020 befand sich Österreich Corona-bedingt im Lockdown, wodurch über 400 Tonnen weniger Gänse für die Gastronomie importiert worden sind. Die Nachfrage nach einem Gänsebraten für zu Hause hingegen stieg und Weidegänse, die aktuell noch meist direkt vom Hof vermarktet werden, gewannen an Beliebtheit. 2021 kam es dann in Polen und Ungarn durch die Vogelgrippe zu weitläufigen Notschlachtungen und damit zu großen Produktionsausfällen. Die Preise der importierten Vögel sind dadurch gestiegen und die Differenz zu österreichischen Weidegänsen schwand [1]. Über 244 österreichische Landwirtschaftsbetriebe produzierten mittlerweile ausschließlich Weidegänse und ihre Zahl scheint weiter zu wachsen [9].

Fazit

Ein Importverbot von Gänsen aus der Stopfmast und dem Lebendrupf entspricht dem Willen der Bevölkerung. Wir fordern daher mithilfe deiner Stimme mehr Transparenz im Handel und der Gastronomie (unterschreibe hier unsere Petition!). Wer schon heuer sicher sein möchte, dass die eigene Martini-Gans aus möglichst nachhaltiger und tierfreundlicher Haltung stammt, sollte unbedingt auf Weidegänse, am besten in Bioqualität, zurückgreifen. Österreichische Gänse-BäuerInnen sind noch selten, aber es gibt sie und jede Kaufentscheidung für eine Weide- statt einer importierten Stopfgans, ist eine Stimme für mehr Tierwohl.

Um bei jedem Einkauf auf der sicheren Seite zu sein, bietet die Tierschutzombudsstelle Wien eigene Fleischratgeber an. Erfahre hier mehr!

Und komplett ohne Tierleid: Auch für Martinsgans-Essen existieren mittlerweile zahlreiche vegane Alternativrezepte. Erfahre hier mehr!

 

[1] Ökoreich.at. Das Elend der Martini-Gänse: Fast immer gestopft und lebendig gerupft. 05.11.2021. https://www.oekoreich.com/medium/das-elend-der-martini-gaense-fast-immer-gestopft-und-lebendig-gerupft (aufgerufen: 11.2022)

[2] Süddeutsche Zeitung. Hägler M. Das arme Federvieh. 26.11.2010. https://www.sueddeutsche.de/panorama/gaense-daunen-und-lebendrupf-das-arme-federvieh-1.1028568-0#seite-2 (aufgerufen: 11.2022)

[3] Institute of Animal Law of Asia. Zihao Yu. Animal Law in China. 22.09.2020. https://www.ialasia.org/projects/animal-law-in-china (aufgerufen: 11.2022)

[4] Vier Pfoten. TROTZ EU-WEITEM VERBOT: BRUTALER LEBENDRUPF VON GÄNSEN IN POLEN WEITERHIN ÜBLICH. 02.11.2022. https://www.vier-pfoten.at/unsere-geschichten/pressemitteilungen/2022/november/lebendrupf-von-gaensen-in-polen-weiterhin-ueblich (aufgerufen: 11.2022)

[5] Ökoreich. Blutige Federn: Woher die Daunen für unsere Textilien stammen. 04.10.2022. https://www.oekoreich.com/medium/blutige-federn-woher-die-daunen-fuer-unsere-textilien-stammen (aufgerufen: 11.2022)

[6] OTS.at. VIER PFOTEN Umfrage: 80 Prozent wollen Kennzeichnung der Martinigans nach Herkunft und Haltungsform. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20211028_OTS0021/vier-pfoten-umfrage-80-prozent-wollen-kennzeichnung-der-martinigans-nach-herkunft-und-haltungsform-anhang (aufgerufen: 11.2022)

[7] Nachhaltige Tierhaltung Österreich. Daten und Fakten.  https://www.nutztier.at/daten/ (aufgerufen 11.2022)

[8] Kurier.at. Gegen Stopfgänse: Österreicher wollen Haltungskennzeichnung. 28.10.2021. https://kurier.at/freizeit/essen-trinken/gegen-stopfgaense-oesterreicher-wollen-haltungskennzeichnung/401786180 (aufgerufen: 11.2022)

[9] Weidegans. Unsere Weidegänse.   https://www.weidegans.at/wissenswertes/unsere-weideg%C3%A4nse/  (aufgerufen: 09.11.2022)

Das könnte Sie auch interessieren

Äpfel

Bio-Ziele: Artenschutz durch Ernährung!

Der Schlüssel für den Artenschutz ist unsere Ernährung. Warum Österreich trotzdem seine Bio-Ziele bei Lebensmitteln verfehlt und wie die Regierung ein Vorbild sein sollte – HIER!

Brauchtum und Tierschutz – (k)ein Widerspruch!

Tierquälerei und Brauchtum? Viele denken an Stierkämpfe in Spanien oder Fiakerpferde in Wien und an die aufgeladenen Debatten, die darüber geführt werden. Leider sind die Fronten oft derartig verhärtet, dass Lösungen durch beidseitige Kompromisse zunehmend unwahrscheinlicher werden. Dabei spricht nichts dagegen, Traditionen hochzuhalten und gleichermaßen Tierwohl zu garantieren.

Kuhmilch – Überproduziert und subventioniert

Die Lage der österreichischen Milchwirtschaft ist angespannt. Zum einen ist sie der finanziell bedeutendste Landwirtschaftssektor in Österreich. Zum anderen sichern nur staatliche Subventionierungen das Überleben der meisten Landwirtinnen und Landwirte. Was das alles mit Afrika zu tun hat und mehr, erfahren Sie hier!

Zum Newsletter anmelden Newsletter schließen