Bodenversiegelung: Die Verbauung der Floridsdorfer Idylle

Das Donaufeld in Floridsdorf steht vor einer düsteren Zukunft: Ein Bauprojekt soll das grüne Juwel Wiens versiegeln und bedroht damit zahlreiche geschützte Tierarten. Während Österreich Europameister in der Bodenversiegelung ist, wird die Natur weiter zurückgedrängt. Was dagegen getan werden kann und mehr – HIER!  

Donaufeld Floridsdorf

Auf einen Blick: 

  • Bodenversiegelung in Floridsdorf: Eines der letzten fruchtbaren Gebiete Österreichs, das Donaufeld in Floridsdorf, soll durch ein Immobilienprojekt versiegelt werden, was wertvolle ökologische Flächen zerstört. 
  • Bedrohte Artenvielfalt: Das Donaufeld bietet Lebensraum für geschützte Tierarten wie die Wechselkröte, den Neuntöter, Ringelnattern und zahlreiche Schmetterlingsarten, die durch die Baupläne gefährdet sind. 
  • Wichtige städtische Grünfläche: Das Donaufeld dient nicht nur der städtischen Nahversorgung durch Bio-Betriebe und Gemeinschaftsgärten, sondern auch als grüne Oase inmitten der Stadt. 
  • Fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung: Die Wiener Landesregierung hat eine Baugenehmigung für 6.000 Wohnungen auf dem Donaufeld erteilt, ohne vorher eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. 
  • Kritik an Bauprojekt: Trotz der Verfügbarkeit von über 100.000 leerstehenden Wohnungen in Wien und der Tatsache, dass Österreich führend in der Bodenversiegelung ist, wird der Bau eines neuen Wohnviertels auf wertvollem Ackerland stark kritisiert. 

Einer der letzten fruchtbaren Böden Österreichs soll versiegelt werden 

Fasane, streng geschützte Wechselkröten, Ringelnattern sowie viele Schmetterlings- und Vogelarten sind durch ein geplantes Immobilienprojekt bedroht. Besonders in Städten wird der Lebensraum von Tieren immer mehr eingeschränkt. Das „zubetonieren“ wertvoller ökologischer Flächen treibt die Klima- und Biodiversitätskrise weiter an. 

Inmitten von Floridsdorf, nicht weit entfernt vom bekannten Donauzentrum, befindet sich noch eine kleine, grüne Oase: Das Donaufeld. Auf 63 Hektar findet man hier nicht nur Bio-Betriebe, die der städtischen Nahversorgung dienen, sondern auch Gemeinschaftsgärten und Selbsterntefelder, die den Menschen ermöglichen, mitten in der Stadt, ihre eigene Nahrung anzubauen und ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen. Die Landschaft ist geprägt von einer friedlichen und vorörtlichen Idylle seit 150 Jahren wird hier Gartenbau betrieben.  

Aber das ist noch nicht alles: Das Donaufeld gehört zu den letzten acht Prozent hochwertigen Ackerlandes in ganz Österreich! (1) Jedoch soll dieses fruchtbare Ackerland in Zukunft einer Wohnanlage weichen, während wir uns in einer der schlimmsten Biodiversitätskrisen der Geschichte befinden! Das Donaufeld bietet derzeit schon streng geschützten Tierarten ein Zuhause, wie zum Beispiel der Wechselkröte, die am Donaufeld sogar eines ihrer Hauptlaichgewässer, den sogenannten „Betonteich“, hat oder dem Neuntöter, einer laut Vogelschutzrichtlinie geschützten Vogelart. Auch viele weitere Tierarten, wie der Fasan, die Ringelnatter, viele Schmetterlingsarten, der Dachs und verschiedenste Vogelarten, werden regelmäßig auf dem Donaufeld gesichtet- zumindest bis jetzt.  

Biodiversitätskrise: Wir sind Europameister in der Bodenversiegelung 

Seit 2018 gibt es einen Bescheid der Wiener Landesregierung für eine Baugenehmigung auf dem Donaufeld und das, ohne vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung.  Die Stadt Wien hat dort geplant, eine Wohnanlage mit 6.000 geförderten Wohnungen zu bauen. Die Projektwerber Argwag, Wien-Süd, Buwog und der städtische Wohnfonds Wien möchten ein ganzes Wohnviertel auf den Äckern des Donaufeldes errichten: Kleingewerbe, Gastronomie, Nahversorger, eine Turnhalle sowie Büros sollen zusätzlich entstehen, obwohl das bekannte Donauzentrum 12 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, 15 Minuten zu Fuß und 4 Minuten mit dem Fahrrad entfernt wäre.  

Außerdem gibt es laut Analyse des Momentum Instituts über 100.000 leerstehende Wohnungen in Wien (2). Täglich werden in Österreich ca. 12 Hektar Boden verbraucht (3). Dem stetig steigendem Wohnbedarf in Wien sollte natürlich nachgegeben werden. Jedoch ist es in Anbetracht der Biodiversitäts- und Klimakrise verwerflich, einen Bescheid zur Baubewilligung einer Fläche auszustellen, die nicht nur streng geschützten Arten ein Zuhause bietet, sondern auch Anrainer:innen in der Stadt eine Möglichkeit zur Nahversorgung gibt.   

Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung übergangen? 

Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist eine Methode, um umweltrelevante Vorhaben vor ihrer Zulassung auf mögliche Umweltauswirkungen hin zu prüfen. Laut der alten EU-Richtlinie gilt eine Pflicht zur UVP erst, wenn der Bodenverbrauch 15 Hektar übersteigt. Jedoch besagt die 2014 geänderte Richtlinie, dass große Bau- oder Entwicklungsprojekte in der EU zunächst im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt geprüft werden müssen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung gewährleistet Transparenz und Berechenbarkeit des Entscheidungsprozesses für verschiedene Arten öffentlicher und privater Projekte, um ein hohes Umweltschutzniveau zu gewährleisten. 

Warum wir Grünflächen in der Stadt gegen die Hitze brauchen 

Aufgrund des Klimawandels wird die Hitze in Wien in den nächsten Jahren drastisch ansteigen. Die Anzahl an Hitzetagen, also Tagen, an denen die Temperatur über 30 Grad Celsius steigt, hat sich seit 1960 verdoppelt und wird weiter ansteigen. Das bedeutet für viele Menschen eine große Senkung der Lebensqualität und auch Produktivität. Für gefährdete Personengruppen kann eine große Hitze auch gefährlich werden. Deshalb ist es umso wichtiger, Grünflächen in der Stadt nicht zu verbauen, da diese enorme Hitzeentwicklung in der Stadt verringern. Um die Anrainer:innen auch in Zukunft zu schützen, ist es von großer Bedeutung, alle Grünflächen zu erhalten und nicht zu versiegeln im Sinne unserer Mitmenschen.  

Widerstand ist nie zwecklos: Die Entstehung des überparteilichen Personenkommittees „Donaufeld ins Wiener Immergrün“ 

Das Bauprojekt stieß von Anfang an auf viel Kritik, sowohl von besorgten Biolog:inen, Umweltorganisationen, Gärtner:innen als auch Anrainer:innen des berühmten Donaufeldes. Aus Sorge um den fruchtbaren Boden und die Konsequenzen, welche die Versiegelung einer weiteren Grünfläche inmitten der Stadt zur Folge hätte, ist das Personenkommittee „Donaufeld ins Wiener Immergrün“ entstanden. Auch viele Anwälte unterstützen die Initiative, genauso wie wir, als anerkannte Umweltschutzorganisation. Dass für den vorher erwähnten Bescheid laut MA 22, die in Wien für Umweltschutz zuständige Behörde, keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde, verletzt das Nachhaltigkeitsprinzip.   

Seit 4 Jahren setzt sich der Verein „Donaufeld ins Wiener Immergrün“ gegen die Bebauung des Donaufeldes ein und hat schon über 16.700 Unterschriften gegen das Bauprojekt gesammelt, weitere sind dringend nötig. Als anerkannte Umweltschutzorganisation ist uns die Erhaltung wertvoller Lebensräume in der Stadt ein wertvolles Anliegen. Deshalb brachten wir uns eine weitere vom Ministerium anerkannte Umweltorganisation eine Beschwerde gegen den Baubescheid der Stadt Wien ein. Das Verwaltungsgericht Wien lehnte die Beschwerde jedoch ab. Dagegen brachten wir nun das Rechtsmittel der ao. Revision ein. Nun liegt der Fall beim Verwaltungsgerichtshof und wir bangen derzeit um das Urteil.  

Die EU leitet in der Zwischenzeit ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ein  

Alle EU-Länder müssen sich an gewisse Regeln halten, wie zum Beispiel, dass sie EU-Richtlinien ordnungsgemäß in nationales Recht umsetzen. Gemäß der geänderten Richtlinie 2014/52/EU, müssen große Bau- oder Entwicklungsprojekte in der EU zunächst im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt geprüft werden. Dies geschieht, bevor mit dem Projekt begonnen werden kann.  

Das österreichische Recht sieht nicht für alle Projekte, die voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben werden, eine Prüfung vor. Die Bescheidausstellung zur Bebauung des Donaufeldes liefert ein hervorragendes Beispiel für eine fehlende Umsetzung der EU-Richtlinien in nationales Recht: Es hätte definitiv eine Umweltverträglichkeitsprüfung gebraucht!  

Die Bauarbeiten sind schon in vollem Gange 

Die Bauarbeiten für den ersten Teil des Gebiets haben trotz aller Widerstände unterschiedlichster Gruppen leider schon begonnen. Bereits im März wurde jedoch sdas Hauptlaichgewässer der Wechselkröte zugeschüttet, obwohl im Baubescheid schriftlich festgehalten wurde, dass dies nur in der Zeit von Oktober bis Februar zulässig ist. Die Bürgerinitiative hat reagiert und Anzeige erstattet, da die Zuschüttung außerhalb des ausgemachten Zeitraumes stattgefunden hat.  Außerdem wurde im Juni bedauerlicherweise mit dem Abtragen der wertvollen Donauschwemmlanderde begonnen- diese gehört zu den fruchtbarsten Böden Österreichs. 

Wir fordern die Stadt Wien auf, die Bauarbeiten sofort zu stoppen und das Donaufeld als fruchtbares Nahversorgungsgebiet zu belassen- Für uns und die zukünftigen Generationen!  

Was können Sie tun?  

Als Individuum hat man oftmals mehr Selbstwirksamkeit, als man denkt. Als erstes wäre es wichtig, die Petition des überparteilichen Personenkomitees „Donaufeld ins Wiener Immergrün“ Donaufeld zu unterschreiben:  

Petition unterzeichnen – Freies Donaufeld 

 

Außerdem hilft es, das Thema auf Social Media zu teilen sowie Beiträge zu dem Thema zu kommentieren, damit es wieder medial aufgegriffen wird und damit über die Missstände informiert werden kann. Der Verein veranstaltet einmal pro Monat eine Art Kundgebung, bei der sich Bürger:innen am Donaufeld versammeln und für ein unversiegeltes Donaufeld einstehen. Mehr Informationen dazu findet man auf der Website des Vereins:  

Veranstaltungen – Freies Donaufeld 

 

Martin, welche Bedeutung hat das Donaufeld persönlich für Dich und warum ist der Erhalt des Donaufeldes für Dich besonders wichtig? 

Ich bin im Donaufeld aufgewachsen, schon meine Großmutter und Urgroßmutter haben dort gelebt. Mein Gartengestaltungsunternehmen und meine Brombeerplantage befinden sich im Donaufeld und ich wohne circa einen Kilometer von meiner Arbeit entfernt. Das sind mal meine persönlichen Gründe. Natürlich ist mir das Donaufeld auch aus ökologischer Hinsicht sehr wichtig. Es gibt viele Flächen, die nicht so gut für die Landwirtschaft geeignet sind, da wäre es besser diese zu versiegeln, anstatt das ökologisch wertvolle Donaufeld auszuwählen.  

Inwiefern bist Du von den derzeitigen Bauarbeiten betroffen? 

Das hat alles schon vor 4 Jahren angefangen. Ich musste einen Teil, 450^2m, meines Grundstückes an die Bauwerber abtreten. Das Gesetz besagt nämlich, dass, wenn ein Wohnbauträger die Mehrheit an einem gewidmeten Bauplatz hat, dann dürfen die Bauträger die Randstücke, welche sich neben dem gewidmeten Baugrundstück befinden, enteignen lassen. Aus Risikogründen auf beiden Seiten haben wir uns außergerichtlich geeinigt und ich habe die 450^2m mangels Alternativen den Bauträgern überlassen. In Wien war diese Art der Enteignung eines Randgrundstückes an die Bauträger ein Präzedenzfall, das finde ich auch sehr interessant.  

Dann gab es vor 2 Jahren noch vor Beginn der Bauarbeiten eine Sperre der Zufahrstraße im Donaufeld, die auch zu meinen Feldern geführt hat. Viele meiner Kund:innen waren sehr verwirrt und ich habe dadurch einige Kund:innen verloren.  

Welche Auswirkungen haben die Bauarbeiten auf das Donaufeld und die Anrainer: innen? Was konntest du selbst beobachten? 

Die Anrainer:innen und Umweltschützer:innen sind natürlich sehr betrübt aufgrund der Geschehnisse und würden sich wünschen, dass die Bauarbeiten stoppen.  

Was wären Deine Wünsche an die Stadt Wien in Bezug auf die Baumaßnahmen im Donaufeld?  

Die Baustellenleiter vor Ort, also die ausführenden Personen, sind sehr freundlich und entgegenkommen. Von der Stadt sind bin ich extrem enttäuscht. Es ist furchtbar, wie mit Umweltschützer:innen und Eigentümer:innen auf dem Donaufeld umgegangen wird. Es gibt keine Wertschätzung gegenüber den landwirtschaftlichen Nahversorger:innen des Donaufeldes, geschweige denn den Menschen des Bezirkes gegenüber. Wieso baut man zum Beispiel die einstöckigen Einkaufszentren nicht weiter aus, und zwar in die Höhe, damit man nicht noch mehr extrem fruchtbare Böden versiegelt? 

(1) Bürgerinitiative Donaufeld und Digitale Bodenkarte Österreich 

(2) https://www.momentum-institut.at/news/leerstandsabgabe-650-000-wohnungen 
    stehen-potenziell-leer/ (Aufgerufen am 30.08.2024). 

(3) Bodenverbrauch in Österreich (umweltbundesamt.at) (Aufgerufen am 30.8.2024). 

(4) WWF-Bodenreport 2024 (aufgerufen 16.09.2024)

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