Bleimunition – unterschätzte Gefahr für Tier und Mensch

Immer mehr Wildtiere leiden unter Bleivergiftungen. Die EU hat erste Verbote für Bleimunition ausgesprochen, doch noch immer setzen die meisten Schützen auf bleihaltigen Schrott. Wir zeigen auf, wie Mensch, Tier und Umwelt durch das Schwermetall gefährdet werden und was wir dagegen tun können!

Auf einen Blick

  • Bleimunition gefährdet jährlich Millionen Tiere durch Bleivergiftungen
  • Auch Wildfleisch ist stark mit Blei belastet
  • Nur Totalverbote von Bleimunition verringern nachhaltig die Bleibelastung

Bleimunition vergiftet unzählige Wildtiere

Über 44.000 Tonnen hochgiftiges Blei gelangen jährlich in unsere Umwelt. Das meiste davon stammt aus Bleimunition fürs Sportschießen (57 %) und der Jagd (32 %). Durch das Schwermetall werden in der EU mindestens 157 Millionen Vögel durch Bleivergiftungen jährlich bedroht [1], mindestens 1 Million Wasservögel [2] und tausende Greifvögel sterben sogar direkt daran [3].

Das Blei kommt dabei unterschiedlich in die Tiere.  Zusammen mit Kieseln schlucken Wasservögel wie Enten, Schwäne und Gänse kleine Bleikügelchen der Schrotpatronen, um Nahrung im Magen zu zerkleinern. Der Bleigehalt einer Schrotpatrone genügt dabei, um einen kleinen Wasservogel zu töten [2]. Raubvögel und Aasfresser nehmen das Schwermetall hingegen überwiegend durch kontaminierte Beute und Kadaver auf, beispielsweise wenn Innereien im Wald zurückgelassen werden oder angeschossene Tiere menschlichen Jäger:innen entkommen [3].

Unabhängig vom Weg der Vergiftung gilt: Einmal geschluckt, gelangt das hochgiftige Schwermetall schnell in den Blutkreislauf der Vögel. Krämpfe, Lähmungen, Flugunfähigkeit sowie Schäden des Nervensystems und der Organe sind die Folge und führen meist direkt oder indirekt zum Tod. Bleihaltige Kadaver werden dann wieder von Aasfressern gefressen, wodurch das Blei nicht nur in der Nahrungskette erhalten bleibt, sondern sich weiter akkumuliert [1]–[3].

Bei zehn europäischen Raubvogelarten konnte letztens eindrücklich gezeigt werden, dass ihre heutigen Populationen um mindestens 6 % kleiner sind, als sie es ohne menschlich eingebrachtes Blei wären. Über 55.000 Greifvögel fehlen damit in Europas Himmel. Je langlebiger eine Spezies ist und je später im Leben sie sich fortpflanzt, umso stärker werden diese Arten von Blei bedroht. Ein verehrendes Urteil für seltene und bedrohte Tiere wie Seeadler, Geier und Co. [4].

Blei in Wildfleisch gefährdet unsere Gesundheit

Wie gefährlich das weiche Schwermetall für die menschliche Gesundheit ist, wissen wir seit Jahrzenten. Bereits wenige Mikrogramm können im Körper Verhaltensauffälligkeiten hervorrufen, die Nieren schädigen sowie das Nerven-, Hormon-, Herzkreislauf- und Immunsystem nachhaltig stören. Werden Kinder während der Schwangerschaft oder frühen Entwicklung Blei ausgesetzt, entstehen meist unwiederbringliche kognitive Defizite. Aus Treibstoff, Farben und Wasserleitungen wurden Bleiverbindungen deshalb längst verbannt. Trotzdem bleibt innerhalb der EU unsere Nahrung die größte Blei-Quelle [4].

Vor allem Wild, das mit Bleimunition erlegt wurde, ist meist stark belastet. Wildfleisch, genannt Wildbret, ist aktuell sehr gefragt, da es als ursprünglich, gesund, regional und nachhaltig vermarktet wird – ohne Tiertransporte, Massentierhaltung und Schlachthöfe [5]. Gegen dieses Bild spricht, dass besonders kleinere Tiere, wie Vögel, Hasen und Kaninchen vielerorts mit giftigem Bleischrot gejagt werden. Schrot sind mehrere Metallkügelchen, die unter einmal aus einer Schrotpatrone abgeschossen werden und damit, anders als einzelne Büchsenpatronen, großflächigen Schaden anrichten. Pro Schuss bleiben damit meistens nicht nur viele Bleikügelchen in der Umwelt zurück, winzige Bleifragmente gelangen auch in den Großteil des essbaren Fleisches und können kaum entfernt werden [4].

Doch auch Einzelpatronen, die meist für größere Tiere wie Rehe und Hirsche eingesetzt werden, splittern oft nach dem Einschuss und verteilen winzige Bleirückstände weit abseits des ursprünglichen Einschusskanals. Entgegen dem weit verbreiteten Irrglauben enthält mit Bleimunition gejagtes Wild daher häufig auch dann noch kleine Bleifragmente, wenn das Fleisch um die Einschussstelle sorgfältig entfernt wird [4].

Blei-Höchstgehalt der EU fehlt und Österreich überschreitet eigenen Richtwert

Trotz des offensichtlichen Gesundheitsrisikos durch Blei in unserer Nahrung, hat die EU für gehandeltes Wildbret keine maximale Bleikonzentration festgelegt – für Fleisch domestizierter Tiere hingegen schon [6]. Europaweite Studien zur Bleibelastung in Wildfleisch ziehen daher den für Schweine-, Rinder- und Hühnerfleisch gewählten Höchstgehalt von 0,1 mg Blei pro Kg Frischgewicht heran. Erschreckenderweise übersteigen aber im Schnitt über 60 % der analysierten Wildbretproben kleiner Tiere diesen Richtwert, ausgenommen von Fleisch aus Dänemark, wo Bleimunition seit Jahrzehnten verboten ist [4].

Wegen des fehlenden EU-Höchstgehalts hat sich Österreich selbst einen sogenannten Aktionswert für die Bleibelastung bei Wildbret festgesetzt. 0,25 mg Blei pro Kilo Frischgewicht werden hierzulande toleriert [7], womit Österreichs Aktionswert die europäische Richtlinie für andere Fleischsorten um das 25-fache übersteigt! Und trotzdem geht aus einer 2018 von der AGES veröffentlichen Studie hervor, dass in Österreich mehr als ein Sechstel der analysierten Wildbretproben noch immer über diesem Aktionswert lagen und daher beanstandet werden mussten [8].

EU versucht die Bleiflut zu stoppen

NGOs und Wissenschaftler:innen aber auch ECHA, die European chemical agency, versuchen seit Jahren gegen die Bleiflut in Europa vorzugehen. Immer wieder gibt es auf europäischer Ebene unterschiedliche Vorstöße für Maßnahmen und Regelungen. Seit 2023 gilt endlich ein EU-weites Verbot von bleihaltiger Munition bei der Jagd auf Wasservögel in Feuchtgebieten. Doch ob tatsächlich das vielfach geforderte Totalverbot von Bleimunition durchgesetzt werden kann, ist noch alles andere als gesichert [9].

Leider genügen Teilverbote und freiwillige Vorsätze gegen Bleimunition nachweislich nicht. Pain et al. haben in ihrer Studie von 2022 untersucht, wie sich unterschiedliche Regelungen einzelner EU-Mitgliedsländer auf die Bleikonzentration gejagter Vögel, Hasen und Kaninchen ausgewirkt hat. Länder mit teilweisen Verboten oder sogar nur freiwilligen Richtlinien schnitten sehr schlecht ab: Im besten Fall verringerte sich die Bleikonzentration über die letzten 30 Jahre nicht, teilweise stieg sie hingegen sogar beträchtlich an. Die Wissenschaftler:innen erklären weiter, dass bestehende Ausnahmeverbote meist nicht eingehalten werden würden und weder die Akzeptanz noch das Bewusstsein über die Regelungen bei den Schützen besonders hoch sei [4].

Einzig Dänemark konnte seine Bleikonzentrationen deutlich verringern. Das Geheimnis? Ein strenges Verbot der gesamten Bleimunition seit 1996 und eine ausführliche Aufklärungskampagne, um Bewusstsein und Akzeptanz  zu stärken und den illegalen Einsatz von Bleimunition zu reduzieren [4].

Österreich sträubt sich gegen dringend notwendiges Blei-Verbot

In Österreich plädieren Umwelt-NGOs und zum Beispiel auch der Ökologische Jagdverband seit Jahren für ein Bleiverbot [10]. Seit 2012 – und damit bereits vor der EU-weiten Regelung – war hierzulande der Einsatz von Bleischrot bei der Jagd auf Wasserwildtiere verboten [11]. Doch seitdem hat der juristische Fortschritt stagniert. Unlängst wollte Tirol den Einsatz von bleihaltiger Munition gänzlich verbieten und einen Umstieg auf bleifreie Alternativen bewirken [12].

Doch nach Kritik durch einen großen Teil der Jägerschaft wurde dieser Vorschlag zurückgezogen. Die Umstellung auf geeignete Jagdwaffen sei zu kompliziert, die Alternativen zu teuer und die Tötung zu inneffizient. Dass Länder wie Dänemark nun bald 30 Jahre erfolgreich Blei-frei jagen und auch hierzulande viele Jäger:innen freiwillig auf Blei verzichten, schienen keine ausschlaggebenden Argumente zu sein. Stattdessen wird nun verboten, erlegte Tiere, oder Teile davon im Wald zurückzulassen. Doch selbst wenn sich jede:r an diese Regelungen halten würde, werden angeschossene Tiere, die entkommen, oder Bleischrot, der sein Ziel verfehlt, weiterhin Flora und Fauna vergiften [4].

Bleifrei durch ein Bundes-jagdgesetz!

Zusammen mit dem ökologischen Jagdverband und anderen Expertinnen und Experten fordern wir ein generelles Bleiverbot in Österreich! Dass es auch ohne Bleimunition geht, beweisen Länder wie Dänemark.

Volksbegehren unterstützen! 

Wenn Sie sich gegen Bleimunition einsetzen wollen, unterschreiben sie unser Volksbegehren für ein Bundeseinheitliches Jagdgesetz, wo wir auch noch andere wichtige Reformen fordern, um die Jagd ökologisch und tierschutzgerecht zu machen!

[1]        ECHA, „ANNEX XV RESTRICTION REPORT PROPOSAL FOR A RESTRICTION“, März 2021.

[2]        D. J. Pain, R. Mateo, und R. E. Green, „Effects of lead from ammunition on birds and other wildlife: A review and update“, Ambio, Bd. 48, Nr. 9, S. 935–953, Sep. 2019, doi: 10.1007/s13280-019-01159-0.

[3]        R. E. Green, D. J. Pain, und O. Krone, „The impact of lead poisoning from ammunition sources on raptor populations in Europe“, Science of the Total Environment, Bd. 823, Juni 2022, doi: 10.1016/j.scitotenv.2022.154017.

[4]        D. J. Pain, R. E. Green, M. A. Taggart, und N. Kanstrup, „How contaminated with ammunition-derived lead is meat from European small game animals? Assessing and reducing risks to human health“, 2022, doi: 10.1007/s13280.

[5]        Bergwild GmBH, „Wildfleisch/Wildbret aus der Natur – Ursprüngliche Wildspezialitäten“. https://www.bergwild.at/de/herkunft,3608.html (zugegriffen 9. August 2023).

[6]        Europäische Kommission, „VERORDNUNG (EG) Nr. 1881/2006 DER KOMMISSION vom 19. Dezember 2006 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln“, Dez. 2006.

[7]        Österreichisches Lebensmittelbuch, „Österreichisches Lebensmittelbuch | Österreichisches Lebensmittelbuch – Aktionswerte für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln“. https://www.lebensmittelbuch.at/leitlinien/leitlinien-richtlinien-empfehlungen-usw-der-codexkommission/kontaminanten/aktionswerte-fuer-bestimmte-kontaminanten-in-lebensmitteln.html (zugegriffen 9. August 2023).

[8]        AGES und BMASGK, „Wildbret- und Erzeugnisse: Kontrolle auf Schwermetalle und Radioaktivität – Endbericht der Schwerpunktaktion A-053-17“, 2018. [Online]. Verfügbar unter: www.sozialministerium.at

[9]        ECHA, „Lead in shot, bullets and fishing weights“. https://echa.europa.eu/hot-topics/lead-in-shot-bullets-and-fishing-weights (zugegriffen 9. August 2023).

[10]      Ökologischer Jagdverband Österreichs, „Ökologische Jagd – Ökologischer Jagdverband Österreichs“. http://www.oekojagd.at/leitbild-oekologischer-jagdverband.html (zugegriffen 9. August 2023).

[11]      news.ORF.at, „EU verbietet Bleimunition in Feuchtgebieten“, 25. November 2020. https://orf.at/stories/3191192/ (zugegriffen 9. August 2023).

[12]      tirol.ORF.at, „In Tirol vorerst weiter Munition mit Blei“, 16. Februar 2022. https://tirol.orf.at/stories/3143374/ (zugegriffen 9. August 2023).

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