Mythos – Fischfressender Otter

Wieder ist es ein Beutegreifer, der Österreich spaltet. Diesmal geht es um den flinken und streng geschützten Fischotter, der – nachdem er beinahe ausgelöscht worden war – endlich wieder durch Österreichs Gewässer taucht.

Mythos – Fischfressender Otter

Für den WWF gehören Fischotter, neben Wolf, Luchs, Biber und Seeadler, zu Österreichs Big Five und sind eine gute Zeigeart. Das bedeutet, dass der Schutz dieser Art auch für andere Tiere von Vorteil ist. Trotzdem lebt der Mythos des fischfressenden Otters, der Flüsse leerfängt und geschützte Arten ausrottet, und sorgt für hitzige Debatten, wie aktuell in Kärnten, wo Fischotter mit Conibearfallen ertränkt werden. Was ist aber wirklich dran an diesen Behauptungen?

Mythos: „Die Fischotterpopulation explodiert ins Unermessliche!“ – Falsch!

Warum hat sich der Otterbestand in Österreich erholt?

Bis 1986 hatte der Otter nur in winzigen Gebieten an den Grenzen zu Tschechien, Ungarn und Slowenien überlebt. Bis 2020 haben sich die seltenen Tiere glücklicherweise wieder fast flächendeckend in Österreich ansiedeln können. Starke Schutzmaßnahmen für die Otter selbst sind dafür ebenso verantwortlich, wie das Verbot von umweltschädlichen PCBs, die die Vermehrung unterschiedlichster Tierarten beeinträchtigt hatten. Zudem ergänzten ungesicherte Fischteiche und das Aussetzen von Fischen für den Angelsport das natürliche Nahrungsangebot der Otter. Folglich war ausreichend Futter vorhanden und die Geburtenrate überstieg für diesen Zeitraum die Sterberate. Das Gerücht, dass legal oder illegal Otter ausgesetzt worden wären, ist hingegen haltlos.

Natürliche Populationsgrenzen

Kann die Fischotterpopulation also auch in Zukunft so stark anwachsen? Die Antwort ist nein, denn natürliche Populationsgrenzen verhindern ein unbegrenztes Wachstum. Als Konsequenz ihres Lebens im kalten Wasser haben Fischotter einen sehr hohen Energiebedarf. Sie brauchen täglich fast 15 % des eigenen Körpergewichts an Nahrung. Lange Jagdausflüge können sie sich nicht erlauben, da sonst die Beute weniger Energie liefern würde, als die Jagd kostet. Da Fischotter mit ihren maximal 12 Kg etwa so schwer wie ein kleiner Hund werden können, bedeutet das circa 1 Kg Futter pro Tag, welches schnell und einfach erjagt werden muss. 1 Kg Futter mag nach viel klingen, doch eigentlich ist es eine natürliche Grenze des Fischotters gegen eine Überfischung seiner Beute: Zwischen Räubern, wie dem Fischotter, und seiner Nahrung besteht nämlich ein natürliches Gleichgewicht. Man spricht von einer Räuber-Beute-Beziehung, bei der sich die Räuberpopulation durch die Beutepopulation reguliert und umgekehrt. Gibt es zu viel Jäger, sinkt das Futterangebot und viele Räuber verhungern. Durch den geringeren Jagddruck wächst die Beutepopulation wieder und der Kreislauf beginnt von neuem. Sinkt der Fischbestand, verhungern die Otter also schnell oder müssen ihre Reviere verlassen.

Eine weitere natürliche Grenze entsteht aus dem Reproduktionsverhalten der Fischotter. Fischotterweibchen sind alle 43 Tage paarungsbereit. Anschließend ziehen die Mütter ihre Jungen alleine und ohne Hilfe des Partners auf. Weil die kleinen Otter aber viel zu lernen haben und solange bei ihrer Mutter bleiben, kann ein Otterweibchen nur etwa alle zwei Jahre Nachwuchs gebären (den Artikel findest du hier). Otter-Männchen bedienen sich eines einfachen Tricks, um die Paarungsbereitschaft eines Weibchens wieder zu beschleunigen und so die eigenen Gene weiterzugeben. Indem sie die Jungen töten, wird das Weibchen nach wenigen Monaten wieder empfängnisbereit. Dieser sogenannte Infantizid begründet im Tierreich einen weit verbreiteter Wettlauf der Geschlechter: Das Weibchen versucht die Jungen bestmöglich zu verstecken, die Männchen versuchen sie zu finden und zu töten. Deshalb und da Otter in freier Wildbahn ohnehin nur eine Lebenserwartung von 3 bis maximal 4 Jahren haben, können Weibchen zwar das ganze Jahr hindurch trächtig werden können, aber im Schnitt bekommen sie nur zweimal Junge von denen durchschnittlich auch nur 1.7 Junge pro Wurf überleben. Otter sind also nicht nur kurzlebig, sie vermehren sich auch nur langsam.

Die letzte und vermutlich mit am einflussreichste natürliche Grenze des Otterbestandes ist seine ausgeprägte Territorialität. Otter sind Einzelgänger, die große Reviere besetzten. Weibchen belegen im Schnitt 16 km, Männchen sogar 28 km lange Uferabschnitte. An ihren Bächen und Flüssen dulden die Tiere keine gleichgeschlechtlichen Artgenossen. Zwar überlappen die Reviere der Männchen mit denen der Weibchen, folglich sind aber nie mehr als zwei Otter in einem Gebiet ansässig. Die Anzahl der geeigneten Reviere, mit ausreichend Ufervegetation und angemessenem Futterbestand beschränken den Otterbestand also völlig ohne das Zutun des Menschen.

Mythos: „Fischotter fressen Österreichs Gewässer leer“ – Falsch!

Österreichs Fischsterben – den Otter trifft keine Schuld!

Dass sich die Lebensbedingungen für den Otter in Zukunft wieder stark verschlechtern könnten, liegt nicht nur an den lauterwerdenden Abschussforderungen, sondern besonders das Fischsterben macht diesen sensiblen Jägern zu schaffen. Fischotter-GegnerInnen argumentieren häufig, dass der Fischotter für Österreichs Fischsterben verantwortlich sei, indem er Bäche leer fische und zudem noch andere bedrohte Arten, wie seltene Amphibien und Flusskrebse, weiter gefährde. Dabei ist nicht die Wiederansiedelung des Otters Schuld an der prekären Lage für Österreichs-Fischbestände. Der Otter wird vielmehr als Sündenbock angeprangert, der von den eigentlichen Problemen ablenkt.

In Österreich ist keiner der bisher untersuchten geschützten Wasserlebensräume in einem wünschenswerten Zustand. Neben Wasserkraftwerken, Flussbegradigungen und Uferverbauungen haben auch die steigenden Temperaturen in Folge der Klimakrise verheerende Auswirkungen. Wärmere Wassertemperaturen erleichtern die Ausbreitung vieler Krankheiten, verringern den Sauerstoffgehalt in Gewässern und reduzieren die Reproduktionsfähigkeit vieler Arten. Auch die Verschmutzung durch Schad- und Nährstoffe ist nach wie vor hoch, sei es durch Hormone, Antibiotika, Pestizide, Überdüngung oder Straßenabwässer.

Durch den Otter hingegen ist für keine Fischart eine ökologische Bestandsgefährdung nachgewiesen. Das prominente Beispiel der Wulka, einem vom Fischotter genutzten Fluss im Nordburgenland, wo ein  kompletter Zusammenbruch der Forellenbestände verzeichnet wurde, ist durch die Krankheit PKD (Proliferative Nierenkrankheit) zu erklären. PKD ist vor allem für kleine Jungfische tödlich, die dann unentdeckt abgetrieben werden. Scheinbar unerklärlich fehlen damit auch erwachsene Tiere und die Schuld wird bei den tierischen Fischjägern gesucht. Passend dazu, konnte in der Lafnitz, wo während einer Langzeitstudie extra Fischotter entnommen wurden, um die Fischbestände zu entlasten, keine Verbesserung für die Fische festgestellt werden. Die Ursache für ihr Verschwinden muss also unabhängig vom Otter sein. Auch fehlen Belege dafür, dass andere geschützte Arten, wie Edelkrebs, Flussperlmuschel oder schilfbrütende Vögel, durch die Präsenz des Otters weiter gefährdet werden.

Wildschadensfonds gleicht Schäden aus

Dass wirtschaftlicher Schaden durch Fischotter entstehen kann, liegt in der Natur der Sache. Je kleiner Gewässer sind, desto leichter erbeutet der Otter seine Nahrung. Bei schmalen Bächen kann daher der wirtschaftliche Ertrag stark reduziert werden. Vor allem Restwasserstrecken, also Wasserabschnitte, die durch menschliche Nutzung weniger Wasser führen als natürlich, begünstigen den Jagderfolg des flinken Jägers. Dazu kommt, dass Fischotter zwar prinzipiell alle Fischarten fressen, sie in Grund-Nähe lebende Fische aber leichter erbeuten, wozu unter anderen die Koppe, Bachforelle und Barbe gehören. Ungesicherte Fischteiche sind ebenfalls gerne genutzte Futterplätze von Ottern. Dabei wird nicht unterschieden, ob es sich um einen kleinen Karpfen, oder einen handzahmen Koi handelt. Um solche Schäden zu kompensieren, wurde durch das Kärntner Wildschadensfondsgesetz ein Schadensfonds für geschonte Wildarten, zur Abdeckung von Schäden, die ganzjährig geschonte Wildarten verursachen, eingerichtet. Eine Unterstützungsleistung ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Geschädigte den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Fazit:

Die ökonomischen Herausforderungen sollen nicht geleugnet, aber im wissenschaftlichen Kontext betrachtet werden. Der Otter frisst Fisch und steht damit häufig in Konkurrenz zu FischerInnen. Trotzdem ist er ein natürlicher Bestandteil und eine ökologische Bereicherung für Österreichs Naturlandschaften und keine Gefahr für das generelle Überleben anderer Arten. Sein Schicksal hängt genauso von der Gesundheit unserer Gewässer ab, wie es der Ertrag der Fischereien tut. Mit genügend intakten Ökosystemen – wovon Österreich noch weit entfernt ist – und angepasstem Management, ist auch bei uns ein friedliches Zusammenleben möglich.

Dass es funktionierende Lösungen gibt, die sowohl die Erhaltung des Fischotters, als auch die der Fischerei ermöglichen, beweist das Burgenland. Im nächsten Newsletter-Beitrag werden wir daher näher auf die dortige Otter-Mensch-Koexistenz eingehen.

Quellen:

Kranz A. Vortrag: Zum Fischotter im Burgenland. 2022. PDF-Folien

Michalek K., Der Fischotter im Burgenland. 2015. ISBN: 978-3-902632-37-1.

WWF. Die Big 5 des WWF. (aufgerufen: 28.01.22 um 10:30)

Wolfram G., Woschitz G., Wolfram A., Weiss S., Kopun T., Michalek K., Tajmel J.; Fischbestandsmonitoring als Basis zur Förderung einer nachhaltigen Fischereiwirtschaft an der Lafnitz. 2007.  (aufgerufen am: 28.01.22 um 09:18)

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