Gesetzlicher Mindeststandard ist nicht tiergerecht

Interview mit Carina Kriegl, Geschäftsführerin der Gesellschaft !ZukunftTierwohl!

Dr.in Carina Kriegl ist Tiermedizinerin und war viele Jahre im Kontrollwesen für die biologische und konventionelle Landwirtschaft tätig. Der Tierschutz und damit das Tierwohl der landwirtschaftlichen Tiere liegt ihr sehr am Herzen, weshalb sie sich entschieden hat, als Geschäftsführerin die Arbeit der Gesellschaft !Zukunft Tierwohl! tatkräftig zu unterstützen.

Was bedeutet Tierschutz generell für dich?

Tierschutz hat mehrere Aspekte für mich. Zuallererst bedeutet es, Tiere als Lebewesen mit Emotionen und individuellen Bedürfnissen zu sehen. In weitere Folge sehe ich uns Menschen in der Verantwortung, Tieren, die Hilfe brauchen, zu helfen und Tieren, die für zum Wohl des Menschen gehalten werden, optimale Lebensbedingungen zu schaffen. Unabhängig davon, ob es sich um Nutztiere handelt oder um z.B. Tiere in der tiergestützten Therapie.

Wie beurteilst du die aktuelle Situation der Nutztiere in Österreich?

In einigen wenigen Bereichen gibt es bereits gute Projekte im Nutztierbereich. Darauf können wir schon stolz sein. Es gibt aber immer noch viel zu tun, u.a. im Schweine- oder Rinderbereich.

In welchen Bereichen ist die Haltung tiergerecht, in welchen nicht?

Wenn wir vom gesetzlichen Mindeststandard ausgehen, so ist die Tierhaltung bei den Schweinen am schlechtesten. Stichwort: Vollspaltenböden. Auch bei den Rindern ist eine permanente Anbindehaltung zwar nicht mehr oft, aber immer noch möglich. Etwas besser ist der gesetzliche Mindeststandard bei der Geflügelhaltung in Österreich. Dennoch ist aus Sicht der G!ZT! der gesetzliche Mindeststandard in der Tierhaltung in keinem Fall tiergerecht.

Das bedeutet?

Wir verlangen daher in unseren Standards zumindest, dass die Tiere ihre angeborenen Verhaltensweisen weitgehend ausleben können: Futtersuchtrieb, Ruhemöglichkeit, Zugang zu natürlichem Licht, usw. – und empfinden die Freilandhaltung von Tieren als tiergerecht, wenn alle dazugehörigen Bedingungen, wie Fütterung, weiche und geschützte Liegebereiche, Schutz vor Wildtieren, usw. auch optimiert sind. Dass es allerdings unrealistisch ist, alle landwirtschaftlichen Nutztiere in Österreich im Freiland halten zu können, ist uns bewusst. Selbst, wenn sich der Konsum von tierischen Lebensmitteln deutlich reduziert, ist dies aus verschiedenen Gründen kaum umsetzbar.

Apropos: Was genau macht die Gesellschaft !Zukunft Tierwohl!

Die G!ZT! beschäftigt sich mit verbesserten Haltungsformen bei landwirtschaftlichen Nutztieren und versucht diese Schritt für Schritt in Österreich umzusetzen. Wir erarbeiten gemeinsam mit wissenschaftlichen Beiräten und Projektpartnern genaue Richtlinien, die optimalere Haltungsbedingungen für Nutztiere definieren. Dazu braucht es die Zusammenarbeit von Landwirtschaft, Vermarktern und dem Handel, und die Bereitschaft nachhaltig die Haltungsbedingungen zu verbessern.

Welche Ziele verfolgt sie und wie will sie diese erreichen?

Während es im Bio-Bereich großteils Vorgaben gibt, die die Haltung von Nutztieren festlegen, fehlte das im konventionellen Bereich bis vor ein paar Jahren. Die Verbesserungen betreffen z.B. Zugang zu Luft und Licht, artgerechte Fütterung, bedürfnisgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten oder keinen Einsatz von Qualzuchten, um nur einige Punkte zu nennen.

Es gibt mittlerweile eine Fülle von Gütesiegeln für tierische Lebensmittel. Wie kann der Konsument
in diesem Dschungel herausfinden, welche Produkte wirklich tiergerecht sind?

Das ist tatsächlich etwas schwierig und funktioniert vermutlich nur, wenn man auch hinter die Kulissen blickt und sich die Richtlinien bzw. die Standards, die hinter den Gütesiegeln stehen, genauer ansieht. Wichtig finde ich, dass diese Richtlinien auch jedem öffentlich zur Verfügung stehen, um einfach und leicht gefunden zu werden. Mittlerweile gibt es aber auch gute Initiativen, die eine Gegenüberstellung vieler Siegel nach Tierart darstellen, z.B. der Einkaufsratgeber für Schweinefleisch und Milch der Tierschutzombudsstelle Wien.

Warum sollte der Konsument gerade den Prüfzeichen der Gesellschaft !Zukunft Tierwohl! vertrauen?

In erster Linie, weil wir uns als spezialisierte NGO für den Nutztierbereich sehen und starke Tierschutzorganisationen als Partner haben. Zusätzlich werden alle Projekt-Betriebe durch unabhängige akkreditierte Kontrollstellen kontrolliert und zertifiziert, wodurch noch mehr Transparenz geschaffen wird und bei Problemen oder Abweichungen umgehend gehandelt werden kann.

Hat sich das Bewusstsein der KonsumentInnen in punkto tieririscher Lebensmittel verändert?

Gerade jetzt in diesen besonderen Zeiten mit der Corona-Pandemie hat sich aus unserer Sicht das Bewusstsein der Konsumenten hinsichtlich Herkunft und Haltung von tierischen Produkten wieder etwas verbessert. Es fehlt hier allerdings noch sehr viel an Aufklärung, aber auch an Interesse von Konsumenten für die jeweiligen Haltungsbedingungen. Viele wollen sich gar nicht damit auseinandersetzen, woher das Schnitzel kommt oder dass es sich hier um ein Lebewesen gehandelt hat.

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