Auf einen Blick
- Das Tierschutzgesetz verpflichtet Tierhalter:innen, ihre Tiere auch auf Almen vor konkreten Gefahren – etwa durch streng geschützte Beutegreifer wie Bär und Wolf – zu schützen.
- Eine pauschale Einstufung als „nicht schützbar“ befreit weder Tierhalter:innen noch Behörden von dieser Pflicht.
- Wenn Tiere trotz konkreter Gefahr aufgetrieben und nicht geschützt werden, liegt ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vor.
- Behörden sind verpflichtet, tätig zu werden – unterbleibt dies vorsätzlich, kann das als Amtsmissbrauch gewertet werden
Tierschutzpflichten gelten auch auf der Alm
Das österreichische Tierschutzgesetz schützt alle Tiere, die in menschlicher Obhut leben – auch auf Almen und Weiden. Tierhalter:innen tragen also die volle Verantwortung, ihre Tiere so zu halten, dass sie keine vermeidbaren Schmerzen, Leiden oder Schäden erleiden.
Das aktuelle Gutachten von Priv.-Doz. Mag. Dr. Wolfgang Wessely, LL.M hält fest: Auch Tiere auf der Alm gelten als gehaltene Tiere im Sinne des Gesetzes. Wer sich entscheidet, Tiere in der freien Landschaft zu halten, muss sie daher vor widrigen Witterungsbedingungen und wenn erforderlich vor Gefahren durch Raubtiere schützen.
„Nicht schützbar“ ist kein Freibrief für Tierleid
In mehreren Bundesländern – aktuell Tirol, Kärnten, Salzburg und Vorarlberg – wurden sogenannte Alm- und Weideschutzgesetze von den Landesregierungen beschlossen. Sie weisen Gebiete pauschal als „nicht schützbar“/ nicht einzäunbar aus, um den Abschuss von Beutegreifern zu erleichtern (lesen Sie HIER, warum Wolfsabschüsse Weidetiere zusätzlich bedrohen).
So absurd es klingt: ab April 2023 wurden in Tirol alle ca. 2.000 Almen als nicht schützbar eingestuft. Damit sollte suggeriert werden, dass für sie keine wolfsabweisenden Herdenschutzmaßnahmen zumutbar wären, selbst wenn die Almen in niedrigen Höhenlagen liegen und für den Tourismus längst bestens an das Verkehrs- und Öffinetz angebunden sind.
Auch auf offiziell als „nicht schützbar“ eingestuften Almen werden erfolgreich Herdenschutzprojekte umgesetzt – wie etwa auf der Lader Heuberg-Alm oder der Verwall-Alm. Damit liegt laut Gutachten der Schluss abermals nahe, dass eine landesweite pauschale Nicht-Schützbarkeit nicht gesetzeskonform ist.
Diese Einstufung ändert laut Gutachten jedoch nicht automatisch den tierschutzrechtlichen Sorgfaltsmaßstab und entbindet die Tierschutzbehörde nicht vom Tätigwerden. Im Klartext heißt das: Auch wenn eine Fläche landesrechtlich als „nicht schützbar“ gilt, muss die Behörde bei einer konkreteren Gefahr im Einzelfall prüfen, ob Herdenschutzmaßnahmen möglich und zumutbar sind.
Almhaltung trotz konkreter Gefahr ist strafbar
Wie auch bei Hund und Katze, müssen Tierhalter:innen ihre Nutztiere vor Gefahren schützen, das bestätigt nun auch das Gutachten. Indizien für eine konkrete Gefahr können sein:
- aktuelle Monitoringdaten und DNA-Nachweise von Beutegreifern
- Risse, die sich im unmittelbaren Umfeld ereignet haben oder
- Abschuss- bzw. Maßnahmenverordnungen, die wegen etwaigen Risiken für das Gebiet erlassen wurden.
Unterlassen Halter:innen ihre Schutzpflicht, so hat die Behörde sogenannte „Anpassungsaufträge“ zur Herstellung einer rechtskonformen Tierhaltung vorerst ohne Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens zu erteilen. Sollten Halter:innen dem Auftrag dann nicht nachkommen, kann ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorliegen und Strafen von mehreren Tausend Euro drohen.
Wirtschaftliche Gründe oder der Arbeitsaufwand gelten laut Gutachten nicht als Rechtfertigung, Tiere ungeschützt auf gefährdete Flächen zu treiben. Der Maßstab sind sogenannte „verständige Tierhalter:innen“. Das heißt: Wer Tiere hält, muss in der Lage sein, sie auch zu schützen. Der Staat kann dafür zu 100 % über das Agrarumweltprogramm ÖPUL Förderungen bereitstellen, die bei der Umsetzung helfen.
Das Gutachten betont jedoch: Allerdings besteht bezogen auf Verwaltungsübertretungen nach § 38 Abs 3 TSchG die Möglichkeit, von einer Anzeige oder Bestrafung abzusehen und den Beschuldigten auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens aufmerksam zu machen bzw. zu ermahnen (§ 38 Abs 6 TSchG). Erklärtermaßen soll der Akzent in diesen Fällen grundsätzlich auf bewusstseinsbildende, aufklärende Maßnahmen gesetzt werden, womit dem Tierschutz besser gedient sei als durch Strafen.
Was Behörden tun müssen
Doch das Gutachten sieht die Verantwortung auch bei den Behörden: Wenn Tierhalter:innen ihren gesetzlichen Pflichten nicht nachkommen, sind die Bezirksverwaltungsbehörden verpflichtet, einzuschreiten. Das Tierschutzgesetz sieht dafür mehrere Instrumente vor:
- Anpassungsaufträge: Die Behörde kann Tierhalter:innen verpflichten, innerhalb einer Frist konkrete Schutzmaßnahmen zu setzen, dazu kann auch der Almabtrieb gehören.
- Sofortmaßnahmen: Bei einer unmittelbaren Gefahr dürfen Tiere sogar abgenommen werden, wenn mit Gewissheit davon auszugehen ist, dass ohne unverzügliche Abhilfe Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst drohen.
- Verwaltungsstrafen: Bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz drohen Geldstrafen bis zu 3.750 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 7.500 Euro.
Unterbleibt ein gebotenes Einschreiten trotz Kenntnis einer konkreten Gefahr und bei Vorsatz, kann der Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt erfüllt sein. Anders ausgedrückt, drohen den Behörden Amtsmissbrauchverfahren, sollten sie trotz besseren Wissens nichts gegen ungeschützte Tiere unternehmen.
Fehlanreize durch Entschädigungen
Das Gutachten weist auch darauf hin, dass die Praxis einiger Bundesländer, Risse ungeschützter Tiere auf „nicht schützbaren“ Flächen teilweise weit über dem Marktwert zu entschädigen, geeignet sein kann, Fehlanreize zu setzen. Tierhalter:innen könnten dadurch sogar motiviert werden, Tiere ohne Schutz aufzutreiben, weil der Verlust finanziell weit über dem Marktwert abgefedert wird.
In der Schweiz wird ein besonderes Entschädigungssystem angewandt, das Missbrauch vorbeugen soll: Werden trotz wiederholten Rissereignissen keine Herdenschutzmaßnahmen ergriffen, wird die Entschädigung kontinuierlich herabgesetzt, und kann schließlich sogar gestrichen werden. Halter:innen sind damit dazu angehalten, zügig einzuschreiten und ihre Tiere angemessen zu schützen.
An den gesetzlichen Schutzpflichten ändert aber auch Entschädigungen nichts: Wer Tiere ungeschützt in Gefahr bringt, riskiert eine Verwaltungsstrafe.
Fazit: Verantwortung endet nicht am Almtor
Das Gutachten zeigt deutlich: Das österreichische Tierschutzgesetz gilt überall – auch auf der Alm. Tierhalter:innen und Behörden tragen gemeinsame Verantwortung dafür, dass „Nutz“Tiere vor vermeidbarem Leid geschützt werden.
Das vollständige Gutachten finden Sie hier:
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Wessely, W. (2025): Rechtsgutachten zu Fragen der Schutzpflicht von Tierhalterinnen und Tierhaltern sowie Behörden bei Bedrohungen von Tierhaltungen durch Raubtiere. Im Auftrag des Wiener Tierschutzvereins / Tierschutz Austria.
Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML) (2024): Zahlen & Fakten 2024 – Die Land- und Forstwirtschaft in Österreich. Kapitel „Almen und Almauftrieb“. (Zugegriffen Oktober 2025)