Eva Persy im Interview: Tierschutzombudsstelle = tierisch wichtig

Dipl.-Ing.in Eva Persy MSc MBA ist Wiens Tierschutzombundsfrau. Wir haben sie gefragt, was ihre Arbeit so wichtig macht, welche Herausforderungen und Erfolge sie für den Tierschutz in Österreich sieht und wie wir alle gemeinsam noch mehr erreichen können!

Was ist eine Tierschutzombudsstelle und was sind ihre Aufgaben?

PERSY: Unser Motto als Tierschutzombudsstelle ist: „Wir geben Tieren Recht“. Damit erfüllen wir unter anderem auch den Wunsch von fast 460.000 Österreicher:innen, die 1996 mit dem damals ersten Tierschutz-Volksbegehren neben einem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz auch eine unabhängige Tieranwaltschaft gefordert haben. 2005 trat endlich das Bundestierschutzgesetz in Kraft, in dem auch die Rolle der Tierschutzombudspersonen rechtlich verankert ist. Zwar wurde die Forderung des Volksbegehrens nach einer bundesübergreifenden Anwaltschaft anders umgesetzt als ursprünglich gedacht, weil jedes Bundesland eine eigene Tierschutzombudsperson bestellt. Doch ist das angesichts der Tatsache, dass der Vollzug des Tierschutzgesetzes Ländersache ist, durchaus sinnvoll – erhalten doch die neun Tierschutzombudspersonen aufgrund ihrer Parteistellung alle zentralen Informationen aus dem jeweiligen Bundesland.

Konkret haben die Tierschutzombudspersonen z.B. das Recht auf Akteneinsicht, Parteiengehör und Ladung bei Verwaltungs- und Verwaltungsstrafverfahren. Das bedeutet, dass wir Informationen zu laufenden Verfahren einholen, rechtlich gegen Bescheide vorgehen oder auch Tierhalteverbote beantragen können. In Wien allein sind wir jährlich im Schnitt in rund 400 Verfahren nach dem Tierschutzgesetz involviert, meist wegen des Verdachts der Tierquälerei. Wenn wir Kenntnis von Missständen erlangen, leiten unsere Expertinnen und Experten alle notwendigen Schritte ein, um ein Verfahren anzustoßen.

Außerdem erfüllen wir einen wichtigen Bildungsauftrag. Recht lebt von der Interpretation von Recht. Anders ausgedrückt, können Gesetze unterschiedlich interpretiert werden. Gerade bei jungen Gesetzen, wie dem Tierschutzgesetz, sind deshalb juristische Publikationen wichtig, mit denen Juristinnen und Juristen Argumente im Sinne der Tiere an die Hand gegeben werden. Seit 2017 veröffentlichen wir zusammen mit der Universitäten Linz und anderen Universitäten dafür die öffentlich zugängliche Zeitschrift „Tier- und Artenschutz in Recht und Praxis“ (TiRuP). Für die breite Öffentlichkeit schaffen wir durch viel kostenloses Informationsmaterial auf unserer Website, unseren Social-Media-Kanälen und in Pressemitteilungen aktiv mehr Bewusstsein für tierschutzrelevante Themen.

Woraus besteht ihr Arbeitsalltag als Wiener Tierschutzombudsfrau und was sind Ihre derzeitigen Schwerpunkte?

PERSY: Arbeit im Tierschutz bedeutet meist, dass kein Tag so vergeht, wie er geplant war. Täglich erreichen uns neue Missstandsmeldungen. Laufend teilen uns Gerichte und Behörden (Verhandlungs-)Termine mit, die es wahrzunehmen gilt, oder ersuchen um unsere Expertise zu konkreten Tierschutzfällen. Strategische Themen und Projekte behandeln mein Team und ich aber natürlich auch über Monate oder sogar Jahre hinweg. Die Tierschutz-Novelle ist ein gutes Beispiel. Anfang 2021 war es wieder ein Tierschutz-Volksbegehren, das mit über 416.000 Stimmen Tierschutz-Verbesserungen gefordert hat. Unsere aktuelle Regierung hat deshalb Ende 2021 konkrete Maßnahmen beschlossen, die in die unterschiedlichen bereits bestehenden Gesetze eingearbeitet werden sollen.

Betreffend Schutz von Heim- und Wildtieren warten wir nun aber schon fast zwei Jahre auf diese Novelle und das, obwohl viele der zu verbessernden Missstände (inklusive Lösungen) in der Entscheidung von 2021 bereits konkretisiert worden sind. Wir haben im aktuellen Tierschutzgesetz zum Beispiel ein Qualzuchtverbot, bei dem aber nicht definiert wird, welche Merkmale im Detail überhaupt als Qualzucht gelten. Wie sollen Behörden Züchter:innen vorschreiben, bestimmte Zuchttiere nicht mehr zu verpaaren, wenn es zur Feststellung einer Qualzucht noch keine konkreten Kriterien gibt? Ich vergleiche das gerne mit dem Autofahren: Wenn wir das Rasen verbieten wollen, müssen wir auch definieren, wer zu schnell unterwegs ist. Wie von der Regierung angekündigt, fordern wir daher klare Kriterien für Qualzucht, die durch eine Expertenkommission erarbeitet werden soll. Die Qualzuchtdatenbank QUEN, die wir mitinitiiert haben, liefert schon jetzt laufend wissenschaftlich fundierte Informationen zu Qualzuchtmerkmalen der unterschiedlichsten Tierarten.

Umso wichtiger in Bezug auf Qualzuchten ist es auch, dass Zuchtstätten nicht nur gemeldet, sondern auch bewilligt werden müssen. Es geht bei der Zucht um viel Geld. Zuchttiere sind rentabel. Aktuell kann sich jede:r schriftlich als Züchter:in bei der Behörde anmelden und zwei Tiere verpaaren, um die Jungen zu verkaufen. Wir fordern hier ein behördliches Bewilligungsverfahren, wo klar erfasst und kontrolliert wird, was und mit welchen Tieren gezüchtet werden soll, wie viele Würfe geplant sind, wie lang die Zucht läuft usw. Das zuständige Ministerium hat dazu ein Anti-Qualzucht-Paket ausgearbeitet, basierend auf der Einführung von Zuchtplaketten. Wie das „Gentechnikfrei“-Label bei Lebensmitteln, hätten wir eine verpflichtende „Qualzuchtfrei“-Plakette bei unseren Zuchttieren. Damit heben sich Züchter:innen, die es gut machen, dann auch von der Masse im Ausland ab und profitieren. Es ist also ein Gewinn für Tier und Mensch.

Und wenn manche behaupten, eine Zuchtbewilligung wäre zu viel bürokratischer Aufwand, muss ich klar widersprechen. Bewilligungsverfahren sind in Österreich schon gang und gäbe. Jedes Krippentier auf einem Weihnachtsmarkt muss bewilligt werden. Ein Bewilligungsverfahren für Zuchttiere ist also keine überschießende Forderung, sondern das Gebot der Stunde.

Was sehen Sie als die größten Erfolge und Herausforderungen?

PERSY: Wir haben als Wiener Tierschutzombudsstelle zum Beispiel ein Verbot von Kettenwürger-Halsbändern und Exoten-Verkaufbörsen bewirkt. Das sind definitiv große Erfolge für uns und damit auch für die Tiere. In Wien muss außerdem mittlerweile nicht nur für Hunde, sondern auch für Reptilien, Amphibien und Papageienvögel ein eigener Sachkundenachweis erbracht werden. Das ist besonders wichtig, denn gerade bei diesen Tieren müssen wir leider immer wieder erklären: Exoten leiden still und sterben langsam. Vor allem Reptilien werden oft in dem Wunsch nach einem „einfachen“ Haustier angeschafft, dabei sieht man ihnen ihr Wohlbefinden kaum an und der Pflegeaufwand wird deutlich unterschätzt. Die Tiere siechen dann oft über Monate hinweg elendig dahin. Mit dem Exotensachkundenachweis lernen Personen, die Exoten halten möchten, deshalb in vier Stunden das Wichtigste über die Anforderungen, Unterbringung und Risiken von Reptilien, Papageien und Co.

Als Herausforderungen sehe ich zum Beispiel, dass wir leider immer noch Widersprüche in unseren Gesetzen haben. Die 1. Tierhalteverordnung regelt beispielsweise die Intensivtierhaltung und widerspricht eindeutig dem Tierschutzgesetz. Um dagegen vorzugehen, muss auch die Tierschutzbewegung noch stärker an einem Strang ziehen. Es gibt schon jetzt so viele engagierte Menschen, und je mehr wir zusammenarbeiten, desto mehr können wir erreichen. Gerade deswegen müssen wir auch noch mehr daransetzen, Kindern und Jugendlichen Tierschutz näher zu bringen. Die Jugend trägt unsere Zukunft, und vor allem kleine Kinder sind von Natur aus meist sehr empathisch mit tierischen Mitlebewesen. Anstatt diese Empathie zu unterbinden, muss sie weiter gestärkt und gefördert werden. Kinder beeinflussen zudem ihr Umfeld. Sie klären auf und diskutieren mit ihren Familien. So erreicht Tierschutz letztlich auch Personen, die sich selbst nie damit auseinandergesetzt hätten. Nur so können wir gesamtgesellschaftlich auf Dauer lernen, wie ein respektvolles Miteinander aussieht.

Welche Tierwohl-Problematiken sollte die Öffentlichkeit mehr beschäftigen?

PERSY: Vieles haben wir jetzt schon angesprochen, aber was noch besonders in den Vordergrund gerückt werden sollte, ist die Kennzeichnung tierischer Lebensmittel. Es gibt so viel Falschinformation und Unwissen. Zum Beispiel glaubt ein Großteil der Österreicher:innen, dass das AMA-Gütesiegel etwas über Tierwohl aussagen würde. Das stimmt aber nicht! Das AMA-Gütesiegel ist ein Herkunftssiegel. Ob die Tiere nun bei uns schlecht gehalten werden oder woanders, macht da keinen Unterschied. Wir brauchen also unbedingt eine einheitliche Kennzeichnung für die Haltungsbedingungen. Menschen sollen mit einem Blick sehen können, wieviel Tierwohl hinter einem Produkt steckt. (Anm.: Wenn Sie etwas zur Haltungssiegelkampagne #1fachausgezeichnet von Tierschutz Austria erfahren wollen, klicken Sie HIER)

Was würden Sie vorschlagen, damit Tierwohl im Lebensmittelsektor schon jetzt effektiv verbessert werden kann?

PERSY: Natürlich ist die Wahl von Bioprodukten gerade auch in Hinblick auf Tierwohlstandards sehr gut. Aber auch für Personen, die sich Bio nicht leisten können, existieren Angebote. Zwischen „Konventionell ohne Tierwohlstandards“ und „Konventionell mit Tierwohlstandards“ gibt es oft nicht einmal preisliche Unterschiede. Die Leute wissen nur leider meist nicht, auf was sie achten müssen. Solange es noch keine einheitliche Siegelkennzeichnung gibt, haben wir deshalb eigens Einkaufsführer angefertigt, die einen einfachen und unkomplizierten Überblick über den ganzen Siegeldschungel der Lebensmittel in Österreich geben (Erfahren Sie HIER mehr). Dadurch können Leute auch im Supermarkt die Entscheidung treffen, die ihrem Wunsch nach mehr Tierwohl entspricht.

Was ist Ihre Botschaft an unsere Leser:innen?

PERSY: Viele Menschen wollen Tieren Gutes tun und ich sage, jede:r der isst, kann das auch. Kaufentscheidungen haben so viel weitreichendere Auswirkungen, als wir auf den ersten Blick erkennen. Tierwohl beeinflusst beispielsweise das Klima und die Biodiversität. Beides hat auch gegenseitig wieder Einfluss aufeinander, und so weiter. Wir wollen keine Vorschriften machen, was wer zu essen hat und was nicht. Aber unser Appell ist: Treffen Sie informierte Entscheidungen! Und weil wir gerade dabei sind: Aktuell landen 30 Prozent der Nahrungsmittel im Müll. Meine Bitte ist: Seien sie sorgsam mit ihren Lebensmitteln, besonders mit den tierischen. Jede Person kann einen Unterschied machen. Auch meine Familie und ich versuchen gemeinsam bewusst, so wenig Lebensmittel zu entsorgen, wie möglich.

 

Tierschutz-Novelle Jetzt! 

Dipl.-Ing.in Eva Persy MSc MBA war bereits in den Jahren 2005 bis 2008 als stellvertretende Tierschutzombudsperson tätig, bevor sie 2015 zur Wiener Tierschutzombudsfrau bestellt wurde. Die BOKU- und WU-Absolventin hat sich bereits 1999 im Rahmen ihres Aufbaustudiums in Kanada (UBC Vancouver) mit der Klima- und Umweltrelevanz der landwirtschaftlichen Tierhaltung auseinandergesetzt. Berufsbegleitend absolvierte sie verschiedene Tierschutz-Lehrgänge mit den Schwerpunkten Tierpsychologie (CH) und Hundeverhalten (International Dog Behaviour and Training School, AT/GB).

 

Weitere Informationen zur Tierschutz Ombudsstelle Wien: HIER!

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