Waldretter Wolf: Weniger Wild, mehr Artenvielfalt

Wölfe sind wichtige Verbündete im Kampf gegen die Biodiversitäts- und Klimakrise. Doch ausgerechnet am internationalen Tag der Umwelt hat die EU den Schutzstatus des Wolfes auf „geschützt“ statt „streng-geschützt“ gelockert. Wo Wölfe uns die Naturschutzarbeit abnehmen, warum Wolf und Biber sich gute Nacht sagen und mehr – HIER!

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Auf einen Blick:

  • Weniger Wildverbiss: Wölfe jagen den Überbestand an Rehen und Hirschen – besonders in kleinen oder geschädigten Wäldern schützt das die jungen Bäume und fördert Waldvielfalt und Erneuerung.
  • Tiere verhalten sich anders: Wo der Wolf jagt, passen Beutetiere wie Hirsche, Rehe und sogar Biber ihr Verhalten an – das verändert indirekt ganze Lebensräume, macht sie stabiler und vielfältiger.
  • Hilfe gegen invasive Arten: Wölfe verdrängen problematische invasive Arten wie den Marderhund und helfen so natürlich bei ihrer Eindämmung.
  • Anpassungsfähig: Der Wolf ist flexibel und kann seine wichtigen ökologischen Funktionen auch in Kulturlandschaften übernehmen, damit wäre er ein wichtiger Verbündeter, um Europas Naturschutzziele zu erreichen.

EU stuft Wolfsschutz am Welt-Umwelttag herab

Gegen alle Warnungen von NGOs und der Wissenschaft, hat am 5. Juni 2025, dem internationalen Tag des Umweltschutzes, der Rat der Europäischen Union beschlossen, den Schutzstatus des Wolfs in der FFH-Richtlinie endgültig zu lockern. Künftig ist der Wolf in der EU zwar weiterhin „geschützt“, aber nicht mehr „streng geschützt“.

Trotz der Herabstufung auf EU-Ebene bleibt der Wolf weiterhin eine geschützte Art. Für Österreich hat diese Entscheidung keine unmittelbaren Auswirkungen: Die heimische Wolfspopulation ist noch zu klein und instabil – der sogenannte „günstige Erhaltungszustand“ nicht erreicht. Und genau dieser ist laut EU-Recht Voraussetzung für pauschale Bejagungen.

Der Europäische Gerichtshof hat das im Juli 2024 in einem Verfahren, das wir mitinitiiert haben, klar bestätigt: Kein EU-Land darf Wölfe pauschal töten, solange die eigene Population sich nicht erholt hat. Für Österreich bedeutet das: Pauschale Abschüsse bleiben verboten und die Abschusspraktiken in manchen Bundesländern sind damit klar rechtswidrig (lesen Sie HIER mehr zu unserem Sieg vor dem Europäischen Gerichtshof).

Wölfe sind Verbündete bei drängenden ökologischen Problemen:

Auswirkungen Wolf auf Umwelt

1.    Wölfe fressen überschüssiges Wild

In Wolfsgebieten sorgen Wölfe dafür, dass Beutetiere wie Hirsche und Rehe nicht überhandnehmen. Ohne natürliche Feinde fressen zu große Wildpopulationen junge Bäume ab, bevor sie nachwachsen können. Studien aus Polen und Deutschland zeigen: Wo Wölfe leben, ist dieser sogenannte Verbissdruck auf Jungbäume deutlich geringer – besonders bei Buche und Kiefer. Dadurch regeneriert sich der Wald besser, die Baumvielfalt steigt, und das gesamte Ökosystem wird widerstandsfähiger [1, 7].

 

Die Debatte um den Wolf dreht sich längst nicht mehr nur um Naturschutz. Immer mehr Studien zeigen: Wölfe können auch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten – indem sie unsere Wälder schützen und damit natürliche CO₂-Speicher stärken. Weltweit werden daher Überlegungen angestellt, den Wolf gezielt in Regionen wieder anzusiedeln, aus denen er einst verdrängt wurde.

So etwa in Japan, wo Wölfe Anfang des 20. Jahrhunderts ausgerottet wurden [9] – oder auch in Schottland: Eine aktuelle Studie britischer Forscher:innen zeigt, dass die Rückkehr des Wolfs dort das natürliche Nachwachsen von Wäldern deutlich fördern und somit erhebliche Mengen CO₂ binden könnte. Der Vorschlag der Forscher:innen: Wer durch die Wiederansiedlung des Wolfs zur Erreichung der Klimaziele beiträgt, sollte dafür auch entlohnt werden [8].

Österreich hat europaweit die höchste Dichte an Rehen und Hirschen. Ursache sind die österreichischen Jagdpraktiken. Seit Jahrzehnten wird hierzulande daraufgesetzt, möglichst viel bejagbares Wild – mit prächtigen Trophäen – anzufüttern. Trotz zunehmend milderer Winter werden die Tiere über Monate hinweg routinemäßig gefüttert und bekommen sogar spezielles Kraftfutter für große Geweihe (lesen Sie HIER mehr zum Missstand der Wildtierfütterungen). Das gefährdet das natürliche Nachwachsen unserer Wälder – Wildschäden belaufen sich auf über 136 Mio. Euro jährlich [10]. Wölfe schaffen hier einen natürlichen Ausgleich, der damit nicht nur der Forstwirtschaft, sondern auch den Steuerzahler:innen zugutekommt.

2.    Wölfe verändern ihre Umwelt auch indirekt

Aber der Einfluss des Wolfs geht weit über direkte Beutegreifer-Beziehungen hinaus. Tiere wie Hirsche und Rehe meiden Bereiche, in denen Wölfe jagen – oder sie sind dort wachsamer und weniger aktiv. Diese Verhaltensänderungen entlasten bestimmte Waldbereiche und fördern so ihre natürliche Regeneration. Selbst bei Bibern zeigt sich ein Effekt: In Gebieten mit Wölfen entfernen sie sich weniger weit von Gewässern, was die Struktur von Feuchtgebieten positiv verändert [2].

Diese sogenannten trophischen Kaskaden haben weitreichende Auswirkungen: Wenn Wölfe ihre Beutetiere regulieren und deren Verhalten beeinflussen, profitieren viele andere Arten. Pflanzenvielfalt, Bodenstruktur, Feuchtgebiete – all das hängt direkt oder indirekt mit dem Wolf zusammen. Und nicht nur das: Auch invasive Arten wie der Marderhund werden durch die Rückkehr der Wölfe zurückgedrängt, wie etwa Beobachtungen in Finnland zeigen [3].

3.    Wölfe sind in Kulturlandschaften wichtig

Wölfe sind flexibel und können sich auch an stark vom Menschen veränderte Landschaften anpassen. Neue Studien zeigen, dass sie durchaus auch Agrarlandschaften besiedeln und positiven Einfluss auf die dortigen Ökosysteme ausüben können [4]. Dokumentiert wurde das zum Beispiel in Norditalien, wo sich der Wolf erfolgreich an neue Lebensräume angepasst hat, und dort, den hohen Rehbeständen folgend, auch in dichter besiedelten Kulturlandschaften zurechtkommt [5].

Eine 2023 veröffentlichte Studie aus der Slowakei liefert ein klares Urteil: Die gezielte Bejagung von Wölfen hat keinen messbaren Effekt auf die Zahl der Nutztierrisse. Obwohl Wölfe dort legal geschossen werden dürfen, blieb die Zahl der gerissenen Schafe gleich – selbst im Vergleich zu Nachbarregionen, in denen keine Jagd stattfindet.

Das Forscher:innen-Team kommt zu einem eindeutigen Schluss: Abschüsse sind keine Lösung für das Zusammenleben mit Wölfen. Wer ernsthaft Konflikte vermeiden will, muss in wirksamen Herdenschutz investieren – nicht in Gewehre [6].

Wölfe könnten uns in Kulturlandschaften viel Naturschutzarbeit abnehmen, indem sie auch dort Wildtierbestände regulieren und die Vegetation beeinflussen. Besonders in Hinblick auf die Renaturierungsbestrebungen der EU spielt das eine Rolle. Durch Renaturierung sollen geschädigte Ökosysteme verbessert werden, um das Artensterben aufzuhalten und unsere Lebensgrundlagen zu sichern. Dabei sollen vor allem bereits genutzte Flächen verbessert werden, ohne sie dafür außer Nutzung stellen zu müssen.

Fazit:

Wer den Wald schützen will, will auch den Wolf schützen. Seine Rolle im Ökosystem reicht weit über das Offensichtliche hinaus. Vom gesünderen Wald bis hin zur Eindämmung invasiver Arten: Der Wolf ist ein natürlicher Verbündeter im Kampf gegen das Artensterben. Wer ihn schwächt, schwächt auch unsere Chance auf intakte Natur.

Werden Sie JETZT Teil von #Team wolf

Mit unserer Petition „#TeamWolf – Für ein faires Miteinander mit Wölfen“ rufen wir alle Tierfreund:innen dazu auf, sich für den strengen Schutz der Wölfe einzusetzen und nachhaltige Lösungen zu unterstützen. Gemeinsam können wir ein starkes Zeichen für den Wolf und den Artenschutz setzen.

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[1] Wójcicki, A., & Borowski, Z. (2023). The presence of wolves leads to spatial differentiation in deer browsing pressure on forest regeneration. Dental Science Reports. https://doi.org/10.1038/s41598-023-44502-y

[2] Gerber, N., Riesch, F., Bojarska, K., Zetsche, M., Rohwer, N., Signer, J., Isselstein, J., Herzog, S., Okarma, H., Kuijper, D. P. J., & Balkenhol, N. (2023). Do recolonising wolves trigger non-consumptive effects in European ecosystems? A review of evidence. https://doi.org/10.22541/au.169625166.69810849/v1

[3] Selonen, V., Brommer, J. E., Holopainen, S., Kauhala, K., Krüger, H. U., Poutanen, J., Väänänen, V.-M., & Laaksonen, T. (2022). Invasive species control with apex predators: increasing presence of wolves is associated with reduced occurrence of the alien raccoon dog. Biological Invasions. https://doi.org/10.1007/s10530-022-02850-2

[4] Kuijper, D. P. J., Diserens, T. A., Say‐Sallaz, E., Kasper, K., Szafrańska, P. A., Szewczyk, M., Stępniak, K. M., & Churski, M. (2024). Wolves recolonize novel ecosystems leading to novel interactions. Journal of Applied Ecology. https://doi.org/10.1111/1365-2664.14602

[5] Torretta, E., Brangi, A., & Meriggi, A. (2024). Changes in Wolf Occupancy and Feeding Habits in the Northern Apennines: Results of Long-Term Predator–Prey Monitoring. Animals. https://doi.org/10.3390/ani14050735.

[6] Kutal, M., Duľa, M., Selivanova, A. R. and López-Bao, J. V. 2023. Testing a conservation compromise: no evidence that public wolf hunting in Slovakia reduced livestock losses. – Conserv. Lett. 17: e12994

[7] Schumann, E. (2022) Entwicklung der Schalenwildbestände im Fläming vor dem Hintergrund der Besiedlung durch den europäischen Wolf.

[8] Spracklen, D. V., Chapman, P. J., Fletcher, T., Lane, J. V., Nilsen, E. B., Perks, M., Schofield, L., & Scott, C. E. (2025). Wolf reintroduction to Scotland could support substantial native woodland expansion and associated carbon sequestration. Ecological Solutions and Evidence, 6(1), e70016. https://doi.org/10.1002/2688-8319.70016

[9] Sakurai, R., Tsunoda, H., Enari, H., & Stedman, R. C. (2023). Public attitudes and intentions toward engaging in reintroduction of wolves to Japan. Conservation Biology, 37(6), e14130. https://doi.org/10.1111/cobi.14130

[10] BMEIA 2021, S. 16, Kap. III.1.5.3.1, Scherhaufer et al. vs. Republik Österreich, EGMR Beschwerden 44990/18 und 7161/19

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