YouTube, Facebook und TikTok – Kümmert euch Tierquälerei?

Erst kürzlich erregte wieder ein YouTube-Video Aufmerksamkeit, in dem lebendige Welpen mit einem Stock in einen Fluss gestoßen und damit einem Krokodil zum Fraß vorgeworfen wurden. Der makabren Titel des Videos: “Crocodile Attacks 2021 Latest crocodiles live feeding only”. Dass es sich dabei um tierquälerischen Inhalt handelte, steht außer Frage. Dennoch blieb das Video über fünf Monate online, erhielt über 250.000 Views und über 1.200 Likes [1]. Das ist leider kein Einzelfall.

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Der weltweite Fleischkonsum hat sich innerhalb der letzten 20 Jahre mehr als verdoppelt. Auch in Österreich wird nach wie vor sehr viel Fleisch produziert und konsumiert. Jede Sekunde werden in Österreich ungefähr 3 Tiere geschlachtet. Allein im Jahr 2019 waren das 90,7 Millionen Hühner, 5 Millionen Schweine, 342. 000 Schafe und 53.000 Ziegen [1].

Tierschutzorganisation verklagt YouTube

Tierschutzorganisationen auf der ganzen Welt versuchen laufend auf Tierquälerei im Netz aufmerksam zu machen. Die Social Media Animal Cruelty Coalition (SMACC), eine Koalition mehrere international aktiver Tierschutzorganisationen, wurde 2020 ins Leben gerufen, um geschlossen gegen das Problem vorzugehen [2]. 2021 veröffentlichte SMACC einen ausführlichen Recherchebericht, für den in Summe 5.480 tierquälerische Videos auf YouTube, Facebook und TickTock analysiert worden sind. Das Ergebnis: In 77.5 % kamen Tiere offensichtlich und sogar beabsichtigt zu Schaden [3]. Leider wurde durch die Tierschutzorganisation Lady Freethinker, Mitglied von SMACC, zusätzlich aufgedeckt, dass tierquälerischer Content auch trotz Meldungen der NutzerInnen über Monate online und abrufbar bleiben [4].

Bei ihren Recherchen stießen Lady Freethinker auch auf den möglichen Grund, warum große Internetkonzerne so wenig für Tierwohl tun: Einnahmen. Beispielsweise YouTube verdient als große Online-Plattform nach einem Pay-per-View System, für das sie Werbeanzeigen in vielgesehene Beiträge schalten. Da gerade Videos mit Tieren unglaublich viel Reichweite bekommen und YouTube gut 45 % der Einnahmen jedes Videos einkassiert, werden damit Unsummen an Umsatz generiert. Lady Freethinker schätzen, dass bei den 2.000 von ihnen analysierten Videos, YoutuberInnen circa 15 Millionen Doller, YouTube selbst etwa 12 Millionen Doller Profit verzeichnen konnten [4]. 2021 beschloss Lady Freethinker, YouTube für ihren Umgang mit Tierquälerei zu verklagen. März 2022 ist die Anhörung vor dem Kalifornischen Gericht [5].

Inszenierte Tierrettungsvideos

Besonders beliebt sind Videos von vermeintlichen Tierrettungen. Dabei werden Tiere wöchentlich vor laufender Kamera entdeckt und aus misslichen Situationen befreit. Enten, die zufällig gleich zu mehrt in dasselbe Ölbad gefallen waren, Katzen, die sich aus unerfindlichen Gründen in skurrile Behälter gezwängt haben und dort stecken geblieben sind, ein ganzer Wurf Welpen, der irgendwo im nirgendwo unter Schutt und vollkommen mit Teer verklebt gefunden wird – die Liste ist endlos. Für TierliebhaberInnen ist es natürlich erfreulich, zu sehen, wie Menschen sich liebenswürdig um verletzte und hilflose Wesen kümmern und sie aufpäppeln. Derartige Videos erhalten enormen Zuspruch und bringt sowohl dem jeweiligen Kanal, als auch YouTube selbst gutes Geld.

Leider sind die überwiegende Mehrzahl dieser Tierrettungen inszeniert [6] und folgen meist einem typischen Schema. Zu Beginn wird ein in Not geratenes Tier gezeigt, dass scheinbar zufällig gefunden wurde, oder auf das die Filmenden durch eine unbekannte Quelle aufmerksam gemacht worden sind. Anschließend wird das Tier ausführlich vor der Kamera gezeigt, bevor die eigentliche Rettung beginnt. Zuletzt folgt ein Schnitt, der das Tier einige Wochen oder Monate später munter und gesund zeigen soll. Unterlegt wird das ganze Video mit dramatischer Musik und plakativen, aber oft nur schlecht übersetzten Untertiteln. Die Videos werden außerdem oft auf mehreren Kanälen veröffentlicht oder es wird aufeinander verlinkt.

YouTube und Co. fehlt es an Handlungsinteresse

YouTube selbst verweist auf seine strengen Community Richtlinien, die natürlich auch Tierquälerei verbieten, und gibt an, gemeldete Videos routinemäßig zu löschen. Sie berufen sich auf proaktive und reaktive Vorgehensweisen, das heißt, zum einen kommen Algorithmen zum Einsatz, die hochgeladenen Content auf gewisse Inhalte scannt. Zum anderen haben UserInnnen die Möglichkeit, Videos und Beiträge zu melden, wodurch diese nachträglich gelöscht werden sollen. Das sogenannte YouTube Trusted Flagger program soll das Melden von Videos für Individuen, Behörden und NGOs zusätzlich erleichtern. Am 25. März 2021 verkündete YouTube zudem inszenierte Tierrettungen vollständig zu verbieten [6, 7].

Aber auch seitdem genügen nur wenige Klicks und einfache Suchbegriffe, um hunderte Videos auf der Plattform zu finden. Videos mit Titeln wie „15 Heartbreaking Animal Rescues“, „Best Animal Rescues of the 2021”, “Covered in solid tar puppies trapped in their own bodies, only their eyes could move, rescued” erreichen nicht selten mehrere Millionen ZuseherInnen. Eine Analyse von World Animal Protection hat gezeigt: Mehr als einen kleinen Knick in der immer steiler ansteigenden Kurve an veröffentlichten Tierrettungsvideos, hat YouTubes Richtlinienänderung nicht bewirkt [8]. Ist YouTubes also nicht in der Lage, Videos, die bereits im Titel von einer Tierrettung sprechen, automatisch zu löschen? Übrigens, LadyFreethinker wurde für das YouTube Trusted Flagger program ohne nähere Erläuterung von YouTube abgelehnt [9]. Wahrscheinlicher fehlt also bei YouTube der aufrichtige Wunsch nach einer Veränderung.

Uploadfilter sind auch gegen Tierquälerei möglich

Viele können sich vielleicht noch an die Debatte über Uploadfilter erinnern. 2019 stimmte die EU für eine Urheberrechtsreform, die die Rechte von KünstlerInnen besser schützen soll und die große Online-Plattformen dazu verpflichtete, selbst Urheberrechtsverletzungen zu verhindern. Dafür scannen Uploadfilter Inhalte, während sie auf den Plattformen hochgeladen werden. Der EU-Beschluss wurde verabschiedet und auch Österreich war damit dazu verpflichtet, die neue EU-Richtlinie in seine Gesetze aufzunehmen und umzusetzen. Mit reichlicher Verspätung wurde am 16. 12. 2021 ein entsprechend neues Urheberrecht im Nationalrat beschlossen, welches anschließend bereits am 1. Jänner 2022 in Kraft getreten ist [10]. Plattformen mit großer Reichweite wie Google, Instagram und YouTube müssen daher künftig auch in Österreich verpflichtend den von ihren UserInnen hochgeladenen Content auf Urheberrechtsverletzungen hin kontrollieren. Bei nicht-Einhaltung drohen Strafen.

Der Protest der Konzerne war enorm. YouTube und Co. klagten über Zensur und prophezeiten ein Ende des freien Internets. Zweierlei Maß, denn Uploadfilter scheinen nur dann problematisch zu sein, wenn es um Urheberrechte geht. Dabei sind Uploadfilter in keiner Weise eine futuristische Neuheit. Größere Plattformen wie YouTube haben schon vor der Gesetzesdebatte seit Jahren auf eigene Filter-Algorithmen gesetzt, um Inhalte zu blockieren, die gegen die konzerneigenen Richtlinien verstoßen. Auf diese Weise werden auf YouTube jährlich Millionen Videos, beispielsweise wegen gewaltverherrlichendem, extremistischem oder kinderpornographischem Inhalt, gelöscht. Allein im ersten Quartal 2020 belief sich die Summe auf circa 11,4 Millionen gelöschte Videos [11].

Was kann man selbst tun?

UserInnen von großen Online-Plattformen wie YouTube haben die Möglichkeit, Videos, Kommentare und Beiträge zu melden. Dabei kann gezielt auf Tierquälerei hingewiesen werden. Außerdem bietet YouTube für Individuen, NGOs und Behörden die Möglichkeit dem YouTube Trusted Flagger program beizutreten und damit den Meldeprozess zu beschleunigen und Informationen zu getroffenen Entscheidungen über gemeldete Inhalte einzusehen [12].  Da jedes angeklickte Video den BetreiberInnen weiter Geld bringt, sollten verdächtige Videos natürlich weder angeklickt noch geteilt werden. Ist man sich unsicher, hilft oft ein Blick auf den Kanal und die Überschriften und Thumbnails der übrigen Videos, um sich zu entscheiden. Gerade tierliebe Menschen sind sehr anfällig für Videos über Tierrettungen, daher leistet jeder und jede bereits einen großen Beitrag, indem das eigene Umfeld aufgeklärt wird. Je mehr Menschen von diesem Problem wissen, desto weniger Nachfrage besteht und desto unattraktiver wird der Dreh eines solchen Videos.

Politik muss stärker auf die Durchsetzung pochen!

Aber das Problem darf und soll nicht allein auf UserInnen abgewälzt werden. Gegen Gewalt an Menschen sind erfolgreich Filter im Einsatz und auch gegen Urheberrechtsverstöße kann nun EU-weit vorgegangen werden. Die Werkzeuge sind also da. Jetzt liegt es an der Politik, zu handeln. Wir fordern, dass betreffende Unternehmen endlich auch für Tierwohl in die Pflicht genommen werden. Bereits geltende Gesetze und Richtlinien müssen stärker auf ihre Einhaltung hin kontrolliert und bei Verletzung muss auch schärfer sanktioniert werden. Falls sich Gesetzeslücken ergeben, müssen diese natürlich rasch legistisch geschlossen werden.

Quellen:

[1] Newsweek. White R. Horrific Video of Live Dogs Being Fed to Crocodiles Stayed Live on YouTube for 5 Months. 2022 02. 14. https://www.newsweek.com/horrific-video-live-dogs-being-fed-crocodiles-stayed-live-youtube-5-months-1678919 (aufgerufen: 03.2022)

[2] Asia For Animals Coalition. Social Media Animal Cruelty Coalition (SMACC). https://www.asiaforanimals.com/smacc

[3] SMACC. Making Money from Misery. 2021. https://www.asiaforanimals.com/smacc-report (aufgerufen: 03.2022)

[4] Lady Freethinker. Youtube: Profiting from Animal Abuse. 2020. https://ladyfreethinker.org/youtube-investigation-animal-abuse/ (aufgerufen: 03.2022)

[5] The Guardian. Doward J. YouTube must remove videos of animal cruelty, says charity. 19. 12. 2020.  https://www.theguardian.com/world/2020/dec/19/youtube-must-remove-videos-of-animal-cruelty-says-charity (aufgerufen: 03. 2022)

[6] DasDing. Rapp D. YouTube: Darum sind „Tierrettungs-Videos“ verboten. 15.07.2021. https://www.dasding.de/update/tierquaelerei-videos-youtube-tiktok-100.html (aufgerufen: 03. 2022)

[7] YouTube. Richtlinien zu gewaltverherrlichenden oder grausamen Inhalten. https://support.google.com/youtube/answer/2802008?hl=de (aufgerufen: 03.2022)

[8] World Animal Protection US. Views that abuse: The rise of fake “animal rescue” videos on YouTube. 2021. https://www.worldanimalprotection.us/blogs/views-abuse-new-report-highlights-cruel-fake-animal-rescues-youtube (aufgerufen: 03.2022)

[9] National Geographic. Fine Maron D. Tierquälerei auf YouTube: Wie Tiere für Fake-Videos missbraucht werden. 09.07.2021. https://www.nationalgeographic.de/tiere/2021/07/tierquaelerei-auf-youtube-wie-tiere-fuer-fake-videos-missbraucht-werden (aufgerufen: 03.2022)

[10] Parlament. Nationalrat beschließt Urheberrechts-Novelle 2021 für digitales Umfeld. https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2021/PK1480/#XXVII_NRSITZ_00137

[11] FAZ. Hanfeld M. Zweierlei Maß. 09.09.2020. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/wie-youtube-in-grossem-massstab-uploadfilter-einsetzt-16943697.html (aufgerufen: 03.2022)

[12] YouTube. YouTube Trusted Flagger-Programm. https://support.google.com/youtube/answer/7554338?hl=de (aufgerufen: 03.2022)

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