Insekten – In aller Munde?

Die aktuelle Verordnung 2023/5 der EU-Kommission [1] lässt die Wogen hochgehen und hat auch die Telefone der Oberösterreichischen Arbeiterkammer heiß laufen lassen [2]. Warum Insekten in unserer Nahrung eigentlich nicht neu sind, was hinter der Kennzeichnungsdebatte steckt und vor allem was für und was gegen Insekten auf dem Teller spricht, erfahren Sie hier.

Essbare Insekten sind in der EU nicht neu und ihre Zulassung ist streng geregelt

Was in anderen Ländern schon lange Tradition hat, empört plötzlich Europa: Ab 2023 soll entfettetes Proteinpulver der Hausgrille in Nahrungsmittel beigemischt werden dürfen [1]. Ganz so neu ist dieses Vorhaben nicht. Aus Insekten hergestellte Zusatzstoffe, wie das rote Karmin aus Cochenille-Schildläusen oder Schellack von Lackschildläusen, sind bereits seit Jahrzehnten gut getarnt als E 120 und E 904 in vielen Lebensmitteln zu finden [3].

Zusätzlich wurde Anfang 2018 der Verkauf von Insekten als dezidiertes Nahrungsmittel unionsweit geregelt. Mehlwürmer, Wanderheuschrecken, Buffalowürmer und die Larven des Getreideschimmelkäfers dürfen bereits angeboten werden. Auch die Hausgrille stand schon vor der neuen Verordnung zum Verkauf – gefroren, getrocknet, pulverförmig, aber noch nicht entfettet. Für jede einzelne Insektenart müssen Hersteller dabei eine eigene Zulassung bei der EU-Kommission beantragen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) evaluiert die Nahrungsmittel, bevor die EU-Kommission die EU-Statten über die Zulassung abstimmen lässt. Aktuell laufen in der EU bereits acht weitere derartige Zulassungsverfahren für Insekten [4].

Das besagte Grillenprotein darf ab 2023 sehr vielfältig eingesetzt werden, zum Beispiel in Getreideprodukten, Soßen, Suppen, manchen Snacks, Schokolade und sogar bierähnlichen Getränken. Anders als für die schon lange eingesetzten Zusatzstoffe aus Schildläusen, ist für Hausgrille und Co. eine eindeutige Kennzeichnung in der Zutatenliste vorgeschrieben. Es müssen die Artnamen in Deutsch und Latein, die Verwendungsform und ein Hinweis zu möglichen allergischen Reaktionen angeführt werden. Ein eigenes Label auf der Vorderseite, wie man es etwa von veganen Produkten kennt, fehlt hingegen [1].

Ethische Bedenken und Massentierhaltung als Gründe gegen Insektenprotein

Trotzdem gibt es Bedenken. Bereits heute leiden Millionen Menschen an Hunger. Nicht, weil in Summe Nahrungsmittelknappheit herrschen würde, sondern weil große Probleme unserer globalen Ernährung, vor allem die ungleiche Ressourcenverteilung und Lebensmittelverschwendung, noch nicht gelöst sind [11]. Wenn wir hier gesellschaftlich Abhilfe schaffen könnten, wären wir bereits mit den heute angebauten Lebensmitteln in der Lage, noch weitere mehrere Milliarden Menschen gesund zu ernähren [8].

Außerdem wird auch Protein aus Insekten in Zukunft maßgeblich aus Massentierhaltungssystemen stammen und birgt damit die gleichen Probleme, die wir aus der heutigen Fleischindustrie kennen. Zum einen wird die Zucht leistungsoptimiert werden, was die Gesundheit der Tiere erfahrungsgemäß kaum berücksichtigt. Um Krankheiten entgegenzuwirken, werden damit vermutlich ebenfalls Antibiotika und andere Medikamente übermäßig zum Einsatz kommen. Zudem gilt zu bedenken, dass Futtermittel für Tiere zu produzieren, anstatt diese Anbaufläche direkt für menschliche pflanzliche Nahrung zu verwenden, immer bedeutet, dass in Summe weniger Menschen ernährt werden können [8].

Für Kritik sorgt außerdem, dass Grillenprotein auch Fleischersatzprodukten beigemischt werden darf. Die entsprechenden Lebensmittel verlieren zwar ihre Kennzeichnung als vegan, doch erst ein Blick auf die Zutatenliste verrät, ob Insekten verwendet worden sind [1]. Es besteht also das Risiko, dass Lebensmittelhersteller vegane Produkte, durch Produkte mit Insektenprotein ersetzen könnten. Aktuell sind Insektenalternativen teure Nischenprodukte. Sollte ihre Beliebtheit steigen – entsprechend dem Trend pflanzlicher Fleischalternativen – so könnte die ähnliche Zielgruppe bedient werden, die sonst auf rein pflanzliche Alternativen zurückgreifen würde.

Der Insektenkrapfen wird noch auf sich warten lassen

Obwohl essbare Insekten also eigentlich nichts Ungewöhnliches sind, erreichten letzten den Konsumentenschutz der Arbeiterkammer in Oberösterreich viele aufgeregte Anrufe. Vor allem Personen, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, wollten auf Nummer sicher gehen und haben nachgefragt, ob etwa in Faschingskrapfen zukünftig unbemerkt Insektenprotein beigemischt sein könnte. Doch die Arbeiterkammer konnte beruhigen und hat auf dieselben Fakten, wie wir hier in unserem Artikel, aufmerksam gemacht [2].

Fazit

Dass eine Reduktion unseres Fleischkonsums für erfolgreichen Tier-, Klima- und Umweltschutz unerlässlich ist, wissen wir [11]. Aber ob Insektenprotein der Schlüssel zur Lösung ist oder nur aktuelle Probleme kaschiert, wird sich zeigen. Vor allem bei der jüngeren Generation wächst jedenfalls bereits das Interesse und die Bereitschaft, Insekten zukünftig in ihren Speiseplan zu integrieren [12]. Fest steht außerdem, dass Insekten-Produkte aktuell noch zu teuren Luxusgütern zählen und Bedenken, wie sie letztens die Arbeiterkammer von OÖ erreicht haben, überflüssig sind.

[1] Europäische Kommission. Durchführungsverordnung (EU) 2023/5 der Kommission. 03.01.2023

[2] Life Radio. Das Tagesthema in Oberösterreich – Fashcichskrapfen mit Insekten?. 21.02.2023. https://www.youtube.com/watch?v=Ol8hMolArFI (aufgerufen: 03.2023)

[3] Das Ist Drin. E-Nummern. http://das-ist-drin.de/glossar/e-nummern/ (aufgerufen: 03.2023)

[4] Europäische Kommission. Insekten in Lebensmitteln – die Fakten. https://germany.representation.ec.europa.eu/insekten-lebensmitteln-die-fakten_de (aufgerufen: 03.2023)

[5] Statista. Landnutzung verschiedener Tierarten in der landwirtschaftlichen Nutzung. 11.2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1135823/umfrage/landnutzung-tierarten-im-vergleich/?locale=de (aufgerufen: 02.2023)

[6] Statista. Wasserverbrauch verschiedener Tierarten in der landwirtschaftlichen Nutzung. 11.2019 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1135821/umfrage/wasserverbrauch-tierarten-im-vergleich/?locale=de (aufgerufen: 02.2023)

[7] Statista. CO2-Emissionen verschiedener Tierarten im Vergleich. 11.2019. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1134415/umfrage/co2-emissionen-tierarten/?locale=de (aufgerufen: 02.2023)

[8] Global2000. Der Fleischatlas. 2021. (Download: https://www.global2000.at/sites/global/files/Fleischatlas-2021.pdf)

[9] Statista. Janson M. Der Fleischhunger der Welt. 14.09.2022. https://de.statista.com/infografik/20391/produktion-von-fleisch-weltweit/

[10] Statista. Prognose zum Anstieg der globalen Nachfrage nach Fleisch bis zum Jahr 2050. 2018. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1195964/umfrage/prognose-zum-anstieg-des-globalen-fleischkonsums/?locale=de

[11] IPCC. Climate Change 2022: Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. 2022. doi: 10.1017/9781009157926

[12] Statista. Können Sie sich vorstellen, Laborfleisch oder Insekten zu essen?. 07.2021. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1244081/umfrage/umfrage-zur-konsumbereitschaft-von-laborfleisch-insekten/?locale=de (aufgerufen: 02.2023)

 

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