EU-Wahl: Scheitert der Green Deal?

Am 9. Juni wählt Europa das EU-Parlament. Nach einem hoffnungsvollen Start in die letzte EU-Legislaturperiode, beobachten wir aktuell ein erschreckendes Rollback wichtiger Initiativen zum Schutz unserer Umwelt. Besonders einer nachhaltigen Agrarwende werden laufend Steine in den Weg gelegt. Was Sie tun können und mehr – HIER!

Auf einen Blick:

  • Europa soll bis 2050 klimaneutral werden
  • Einige vielversprechende Gesetzte deuteten bisher auf eine grüne Wende hin
  • Doch kurz vor der EU-Wahl gerät Umwelt- und Klimaschutz unter Beschuss
  • Die kommende EU-Wahl, am 9. Juni, wird entscheidend für unsere Zukunft

 

Bitte wählen sie am 9. Juni bei der EU-Parlamentswahl! Im Sinne unserer Zukunft, dürfen Klima- und Umweltschutz nicht weiter aufgeweicht werden.

Falls Sie wissen wollen, wie nationale Parteien und europäische Fraktionen bei Nachhaltigkeitsthemen bisher abgestimmt haben, empfehlen wir die entsprechende Analyse von BirdLife Europe, Climate Action Network Europe, Europäisches Umweltbüro (EEB), Transport & Environment und WWF Europa.

Welche Partei stimmt für Nachhaltigkeit?

 

Wie Sie schnell und unkompliziert eine Wahlkarte für die EU-Wahl beantragen können, erfahren Sie hier:

Ich will wählen!

 

Europa will zum ersten klimaneutralen Kontinent werden

Der Green Deal galt als nachhaltige Vorzeigeinitiative der konservativen EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen. Mit dem Ziel die EU damit bis 2050 klimaneutral, die Wirtschaft nachhaltig und den grünen Wandel fair zu machen, einigten sich 2020 alle EU-Mitgliedsstaaten demokratisch darauf, geeignete Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Die letzten 5 Jahre der EU-Politik standen also unter einem guten Stern für die Nachhaltigkeit und mehrere wichtige Initiativen konnten auf den Weg gebracht werden.

Sogar aus Sicht von Umwelt-NGOs wurden einige der angekündigten Ziele gut umgesetzt, beispielsweise:

  • Ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Zielen ab 2021
  • Ab 2035 keine Neuzulassung von Autos mit fossilen Treibstoffen
  • Maßnahmen, um bis 2050 Gesundheitsgefährdung durch Umweltverschmutzung zu beenden
  • Förderung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft (z.B. durch Recycling)
  • Eine EU-Biodiversitätsstrategie, um gegen das Artensterben anzukommen

Dank dem Green Deal haben wir also endlich ein europäisches Klimaschutzgesetzt. Die Mitgliedstaaten verpflichteten sich damit dazu, ihre Treibhausgasemissionen zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden. Einzig Österreich hat es bisher versäumt, das Gesetzt national ausreichend zu implementieren.

Richtungswechsel in der Politik gefährdet unsere grüne Zukunft

Sogar während der Corona-Pandemie und der Ukraine-Krise hielten die Europäischen Staaten überwiegend ihren nachhaltiger werdenden Kurs und einigten sich im Namen des Green Deals auf wichtige Gesetze. Politiker:innen aus verschiedensten Lagern argumentierten, dass ein nachhaltiges Europa viele Chancen mit sich bringt, sei es für den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach Covid oder in Bezug auf erneuerbare Energien statt fossilen Brennstoffen aus Russland.

Doch Ende letzten Jahres begann ein politischer Wandel und kündigte für den Wahlkampf zur kommenden Europawahl eine drastische Kehrtwende an. Eine Reihe essentieller Maßnahmen wurden zurückgezogen, verwässert oder verließen überhaupt nie die Schubladen der EU-Kommission. Es verdeutlichte sich, dass obwohl eine nachhaltige Zukunft uns allen dient, Klima- und Naturschutz schnell Frage der politischen Ausrichtung werden.

Vor allem Ziele, die 2023 noch nicht fertig umgesetzt waren, fielen unter den Tisch:

  • Die angekündigte Pestizidverordnung, um das Insektensterben aufzuhalten, wurde durch die EU-Kommission zurückgezogen
  • Das fertig ausverhandelte Renaturierungsgesetz zur Wiederherstellung unserer Ökosysteme liegt auf Eis
  • Kernversprechen für eine nachhaltige Ernährung und eine Überarbeitung der Tierwohlstandards wurden zurückgezogen oder noch immer nicht präsentiert

Bauernproteste treiben Aufweichung des Umweltschutzes weiter an

Die europaweiten Bauernproteste Anfang dieses Jahres schütteten weiter Öl ins Feuer. Ausgehend von Belgien schlossen sich Landwirtinnen und Landwirte zusammen und begannen gegen ihre prekären Lebens- und Wirtschaftsbedingungen zu protestieren. Die Proteste schwappten schnell in weite Teile Europas über und versetzten Politiker:innen in Aufruhr.

Angesichts der näher rückenden EU-Wahl wurde von der EU-Kommission angekündigt, das wichtigste politische und finanzielle Mittel der Lebensmittelpolitik entsprechend den Forderungen aus den Protesten, zu entbürokratisieren: die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Das ausgerechnet Umweltauflagen Ziel dieser „Entbürokratisierung“ wurden, war kein Zufall. Natur- und Klimaschutz wurden durch rechte und konservative Fraktionen zunehmend wieder als Projekte der grünen Parteien abgetan. Dementsprechend laut waren die Siegesrufe gegen die vermeintlich „grüne Politik“, als zuletzt im Eilverfahren verpflichtende Umweltauflagen in der Gemeinsamen Agrarpolitik gestrichen wurden.

Die GAP ist die einflussreichste EU-Politik!

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ist ein EU-weites Finanzierungsprogramm für die Landwirtschaft, das jährlich mit fast 400 Mrd. Euro rund ein Drittel des EU-Gesamthaushaltes ausmacht und damit eine finanziell weitaus gewichtigere Regelung ist als der Green Deal.

Alle 6 Jahre wird die GAP neu verhandelt, doch bisher ist sie nicht verbindlich an die Ziele des Green Deals gekoppelt. Umso wichtiger sind die wenigen verpflichtenden Umweltauflagen, die Landwirtinnen und Landwirte aktuell zu erfüllen haben, wenn sie Direktzahlungen über die GAP in Anspruch nehmen wollen.

Die GAP bietet einen unmittelbaren Hebel, wie Europa bewirtschaftet wird, da Landwirtinnen und Landwirte heute einen Großteil ihres Einkommens aus Subventionen beziehen (in Österreich etwa 70 % des Einkommens). Daher mussten bisher beispielsweise 4 % der landwirtschaftlichen Flächen brachliegen, um die Biodiversität zu erhalten. Da Brachflächen unerlässlich für die Artenvielfalt und damit unser Überleben sind, dienen solche ökologischen Flächen zwar nicht unmittelbar der Lebensmittelproduktion, bieten dafür aber andere wichtige Ökosystemleistungen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht erkannt werden.

Die Bauernproteste wurden damit zu Instrumenten im politischen Hickhack der Fraktionen. Obwohl sich die Probleme der Landwirtschaft vor allem um faire Produktpreise und wirtschaftliche Planbarkeit drehen, lenken große Akteure der konservativen Agrarlobby, etwa der Deutsche Bauernverband, den Protest. Besonders deutlich wurde das auch beim Renaturierungsgesetz des Green Deals.

Eine beispiellose Fake-News Kampagne aus konservativen und rechten Kreisen veranlasste schließlich sogar hunderte Wissenschaftler:innen dazu, einen offenen Brief an die EU-Kommission zu schreiben, um die Notwendigkeit des Gesetzes zu betonen und gängige Falschaussagen zu berichtigen. Dennoch liegt das Gesetzt zur Wiederherstellung unserer Ökosysteme auf Eis. Ohne es werden wir das Artensterben kaum aufhalten können.

Umweltschutz wird ein politischer Spielball der EU-Wahl

Ebenso wie der European Green Deal wurde auch die aktuelle Gemeinsame Agrarpolitik (inklusive der wenigen Umweltauflagen) maßgeblich durch die konservative EU-Fraktion EVP ausverhandelt. Die Konservativen stellen seit 1999 durchgehend die größte EU-Fraktion und gelten, wie die ÖVP in Österreich, als starke Vertreter der Bauernschaft. Das letzte Viertel Jahrhundert hätte die EVP damit Zeit und Einfluss genug gehabt, die Bedingungen für die Landwirtschaft durch die GAP zu verbessern.

Die Bauernproteste verdeutlichen also ein großes Problem: Obwohl die Dringlichkeit einer grünen Wende wissenschaftlich unbestritten ist, werden Umwelt- und Klimaschutz schnell Spielbälle politischer Machtkämpfe. Gegenmaßnahmen zu blockieren, die zuvor größtenteils aus der eigenen Feder entsprungen sind, soll die Gemüter der unzufriedenen Wählerschaft vor der EU-Parlamentswahl im Juni beruhigen. Eine echte Problemlösung ergibt sich daraus nicht und dass die missliche Lage nicht zuletzt auch durch die Arbeit der eigenen Agrar-Vertreter:innen zu Stande kommt, geht im Zorn der Bäuerinnen und Bauern unter.

Fazit

Im Sinne unserer Zukunft haben sich alle EU-Mitgliedstaaten auf Nachhaltigkeitsziele geeinigt. Der geeignete Weg dahin kann politisch diskutiert werden – nicht jedoch die Notwendigkeit an sich. Nachhaltigkeitsziele zu boykottieren und aufzuweichen ist der falsche Weg und weder die Probleme der Landwirtschaft noch die der restlichen Bevölkerung werden dadurch gelöst. Schlimmer noch, je zögerlicher wir jetzt handeln, desto härter wird es für uns, das Ruder später herumzureißen und die sich laufend verschlimmernden Folgen der Klima- und Biodiversitätskrise abzufedern.

 

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